Suzan Ayas
Privat
Fahrsimulator an der Universität Ulm
"Die Durchführung eines Forschungsprojektes in Deutschland war für meine Karriere eine spannende Gelegenheit, denn welches Land ist für modernste Automobiltechnik berühmter als Deutschland? Alles in allem hat mir mein Aufenthalt in Ulm sehr gefallen. Ich habe viel von meinem Gastlabor gelernt und die gute Küche kennen-gelernt sowie interessante kulturelle Aktivitäten in Süddeutschland erlebt. Außerdem habe ich bereichernde berufliche und persönliche Kontakte geknüpft, die ich hoffentlich in der Zukunft weiter pflegen kann."
Für einen Deutschlandaufenthalt im Rahmen ihrer Promotion im Bereich Human Factors mit Schwerpunkt Verkehrssicherheit erhielt Suzan Ayas das Respekt & Wertschätzung-Stipendium der DAAD-Stiftung und untersuchte automatisierte Fahrsysteme zur Fahrerüberwachung. Während Ihrer Zeit in Ulm lernte sie die lokalen Bräuche kennen und schätzen und entwickelte eine Vorliebe für die regionale Küche - ganz besonders für Spätzle.
In meiner Promotion beschäftige ich mich mit der Konstruktion von Fahrzeugsystemen, die erkennen, wenn der Fahrer oder die Fahrerin müde ist und eine Sicherheitswarnung ausgeben, um die Wachsamkeit zu erhöhen. Durch ein Respekt & Wertschätzung Stipendium der DAAD-Stiftung erhielt ich die einmalige Chance, gemeinsam mit Herrn Prof. Martin Baumann meine Promotionsforschung mit dem Schwerpunkt manuelles, also nicht-automatisiertes, Fahren bis hin zu teilautomatisierten Fahrsituationen zu erweitern.

Privat
Die Stadt Ulm (aufgenommen von der Brücke über die Donau)
Mit meinem Forschungsprojekt an der Universität Ulm wollte ich vor allem verstehen, wie teilautomatisiertes Fahren zur Ermüdung des Fahrers oder der Fahrerin führen kann und ob sich die negativen Auswirkungen davon mit Systemen zur Fahrer-überwachung eindämmen lassen. Teilautomatisiertes Fahren ist besonders gefährlich, da die Fahrenden das Fahrzeug so lange nicht lenken müssen, bis eine kritische Situation auftritt, die die Automatisierung nicht bewältigen kann. Müdigkeit unmittelbar vor solchen unerwarteten Situationen kann zur Folge haben, dass Fahrende nicht darauf vorbereitet sind, das Fahrzeug unter Kontrolle zu bringen.

Privat
In der Umgebung von Ulm und am Ulmer Münster
Mit diesem kooperativen Projekt wollten wir untersuchen, ob die Beschäftigung Fahrender mit kognitiven Aufgaben dazu beitragen kann, die Wachsamkeit in einer teilautomatisierten Fahrsituation aufrechtzuerhalten. Außerdem wollten wir erforschen, welches Niveau der kognitiven Beschäftigung am besten geeignet ist, ohne die Fahrenden abzulenken. Zu diesem Zweck führten wir einen Fahrsimulationsversuch mit 40 Teilnehmenden durch. Während die Teilnehmenden mit automatisierten Fahr-systemen interagierten, erfassten wir physiologische Daten (z. B. Herzfrequenz, Augenmessung) und Daten zur Fahrleistung. Die vorläufigen Ergebnisse zeigten, dass sich der gemessene Lidschlusswert zwar kaum veränderte, aber die wahrgenommene Müdigkeit der Teilnehmenden und das beobachtbare Müdigkeitsniveau dank kognitiver Beschäftigung abnahmen.

Privat
Der Uni zur Verfügung gestellter Test-Mercedes
Als ich in Ulm ankam, wurde ich von meinem Betreuer und meinen Kolleg:innen herzlich willkommen geheißen und erhielt viel Unterstützung. Im Labor arbeiten mehrere Doktorand:innen mit sehr unterschiedlichen Hintergründen. Etwa die Hälfte von ihnen stammt aus Deutschland, die anderen kommen aus China, Tschechien und Pakistan. Während meines Aufenthalts arbeitete ich auch mit einem Masterstudenten aus Indien zusammen. Ich fand es sehr spannend, die Unterschiede in der Labor- und Arbeitskultur sowie die unterschiedlichen Forschungsmöglichkeiten kennenzulernen, die es in Deutschland auf meinem Gebiet gibt.
Dank der herausragenden universitären Forschungseinrichtungen und Unterstützung meiner Kolleg:innen gelang es mir, während meines Aufenthalts ein erfolgreiches Experiment durchzuführen. Zurzeit arbeite ich an der Veröffentlichung der Versuchs-ergebnisse, womit ich zum Verständnis der Fahrerermüdung in automatisierten Fahrzeugen beitragen möchte. Im Rahmen dieser Kooperation habe ich Erfahrung in einem wertvollen Forschungsbereich des automatisierten Fahrens gesammelt.

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In der Natur
In den Sommermonaten organisierte mein Labor viele gesellschaftliche Zusammen-künfte, darunter die Aufnahme von Gastprofessoren und -professorinnen aus Europa, wissenschaftliche Workshops und andere Veranstaltungen, bei denen ich viele Kontakte knüpfen konnte. In formellen Präsentationen stellte ich anderen Mitgliedern meine früheren Forschungsprojekte und eine Forschungsmethodik von meiner Heimathochschule vor. Dank der Kontakte meines Betreuers konnten wir einige Versuchsfahrten mit den modernsten teilautomatisierten Fahrzeugen durchführen, die heute auf den Straßen unterwegs sind (z. B. BMW-7er-Reihe, Mercedes-Benz S-Klasse). Diese Chance hätte ich nirgendwo anders gehabt! Es war sehr inspirierend, zu sehen, wie unsere Forschung in realen Produkten zur Anwendung kam und wie viel mehr Forschung noch nötig war.

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Auf einer Wanderung bei Schloß Neuschwanstein
Während meines Aufenthalts wohnte ich in einer kleinen Wohnung in Blaustein, einer Kleinstadt vor den Toren Ulms. In Blaustein leben 15.000 Menschen, in Ulm 129.000. Vor meiner Ankunft war ich etwas besorgt, wie das Leben in einer so kleinen Stadt sein würde, denn bisher habe ich immer in Millionenstädten gelebt. Doch tatsächlich war das Leben in Blaustein und Ulm sehr ruhig und angenehm, abgesehen von den Sonntagen – denn in den Sommermonaten war ich fast jeden Sonntag auf einem Fest. Andererseits waren die sonntäglichen Ladenschließungen ein großer Kulturschock für mich, obwohl ich vorher davon wusste. Ich habe mich allerdings schnell daran gewöhnt und den Ruhetag genossen.
Wochentags fuhr ich zunächst 7 Minuten mit dem Regionalzug von Blaustein nach Ulm und dann noch einmal 15 Minuten mit der S-Bahn zur Universität. Die guten Zug-anschlüsse in Deutschland waren sehr eindrucksvoll. Die täglichen Zugfahrten zum Mittagessen oder Kaffeetrinken im Labor haben mir sehr gefallen. Bei diesen Gelegenheiten konnten wir uns über unsere wissenschaftlichen Erfahrungen oder unsere Erlebnisse als internationale Gaststudierende austauschen. Viele meiner deutschen Laborkolleginnen und -kollegen haben ein Austauschjahr in Kanada verbracht, sodass es reichlich Gesprächsstoff gab. Auf dem Rückweg unternahm ich bei gutem Wetter oft einen halbstündigen Spaziergang auf einer wunderschönen Strecke. An klaren Tagen konnte ich sogar die Alpen sehen.
Am Wochenende nutzte ich meine Monatskarte, um Städte in der Umgebung zu besuchen. Jede Stadt hat ihre eigene Geschichte und Kultur, darunter viele sommerliche Feste. Da ich direkt an der Grenze zwischen Baden-Württemberg und Bayern wohnte, besuchte ich München, Stuttgart und Tübingen und unternahm einige Wanderungen am Bodensee, im Schwarzwald, bei Schloss Neuschwanstein und in den deutschen Alpen.
Sehr gefreut habe ich mich über die türkischen Restaurants und Märkte in Deutschland, durch die ich meinen Laborkolleginnen und -kollegen mit köstlichen Speisen und Desserts meine Kultur näherbringen konnte. Darüber hinaus konnte ich meine deutschen Sprachkenntnisse verbessern, beispielsweise auf Reisen, wenn ich nach dem Weg fragte oder Durchsagen hörte, oder bei täglichen Erledigungen in der Post, beim Einkaufen usw. Ich habe viele deutsche Gerichte probiert und meine Favoriten gefunden: Flammkuchen und Spätzle! Da ich Spätzle so sehr mag, bekam ich als Abschiedsgeschenk einen Spätzlehobel überreicht. Davon abgesehen habe ich die Kaffee-und-Kuchen-Kultur mit zurück nach Kanada genommen.
Alles in allem habe ich in meiner Zeit in Deutschland viel gelernt und großartige Bekanntschaften gemacht. Ich bedanke mich herzlich bei Dr. Michael Aven und der DAAD-Stiftung, die mir den Aufenthalt in Ulm ermöglicht haben. Ich freue mich darauf, meine Promotion abzuschließen, und hoffe, dass ich kommenden Generationen einmal ähnliche Möglichkeiten bieten kann.
Stand: November 2024. Die englische Version ist das Original.

