Yifan Wang
Privat
Die Stadt Minneapolis
„Insgesamt war mein Forschungsaufenthalt ein großer Erfolg. Innerhalb von sechs Monaten habe ich unglaublich viel gelernt, erlebt und neue Eindrücke gewonnen. Für den erfolgreichen Verlauf meines Forschungsaufenthalts habe ich viel Unterstützung und Hilfe erhalten. Ich möchte mich herzlich bei Prof. Niklas von der Aßen, meinem akademischen Betreuer am Lehrstuhl für Technische Thermodynamik, bei Prof. Qi Zhang, meinem Mentor vor Ort in Minneapolis, und bei Prof. Kai Leonhard vom Lehrstuhl für Technische Thermodynamik bedanken. Dank ihrer umfassenden Unterstützung wurde mir dieser Forschungsaufenthalt ermöglicht. Besonders bedeutend war für mich die Förderung durch das „KSB Stiftung Stipendium der DAAD-Stiftung“, die mir zusätzlichen Freiraum geschaffen hat. Dadurch konnte ich eine neue Welt – sowohl fachlich als auch menschlich und kulturell – entdecken und erkunden.“
Die chinesische Ingenieurin Yifan Wang forschte gefördert durch das KSB Stiftung Stipendium der DAAD-Stiftung zu CO2 Filteranlagen in Minniapolis. Die seit 10 Jahren in Deutschland lebende Wissenschaftlerin machte ihren Master in Verfahrenstechnik an der Universität Stuttgart und promovierte dann an der RWTH Aachen.
Sie absolvierte einen sechsmonatigen Forschungsaufenthalt an der University of Minnesota, USA, im Rahmen ihrer Promotion, über den sie teilt:
Während meiner Promotion beschäftige ich mich mit der Anwendung mathematischer Optimierung auf Energiesysteme, insbesondere in Bezug auf die saisonale Energieversorgung und -speicherung. Ein Bestandteil meiner Dissertation ist das Forschungsvorhaben, das im Zuge meines Forschungsaufenthalts bearbeitet wurde:

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Die University of Minnesota
Die Einbindung erneuerbarer Energiequellen erfordert die Integration komplexer Prozesse in zukünftige Energiesysteme, beispielsweise von Direct-Air-Capture (DAC)-Anlagen. Eine DAC-Anlage verwendet physikalische oder chemische Verfahren, um CO2 aus der Luft zu extrahieren. Zur Erreichung von negativen Emissionen spielen DAC-Anlagen eine entscheidende Rolle und können direkt in zukünftige Energiesysteme, wie Power-to-Gas Energiesysteme, integriert werden [1]. Die Integration von DAC-Anlagen in Energiesysteme stellt jedoch neue Herausforderungen für die Entwicklung optimaler Betriebsstrategien:
1) Eine DAC-Anlage ist ein komplexes Prozesssystem, dessen Betrieb typischerweise aus den folgenden Phasen besteht: Adsorption, Blowdown, Aufheizung, Desorption und Abkühlung.
2) Jede Phase hat unterschiedliche Zeitdauern und Betriebsbedingungen[2]. Die Adsorptionsphase ist stromintensiv, die Aufheizphase erfordert einen hohen Wärmeverbrauch und das abgeschiedene CO2 steht nur während der Desorptionsphase als Output zur Verfügung [2]. Beispielsweise benötigt die DAC-Anlage in der Blowdown-Phase für etwa 30 Sekunden ausschließlich Stromzufuhr, liefert das abgeschiedene CO₂ jedoch erst in der Desorptionsphase, die mehrere Stunden dauern kann.
3) Die Betriebsleistung einer Phase hängt stets vom Zustand der vorherigen Phase ab [2].

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Yifan Wang auf der Foundations of Computer Aided Process Design Konferenz (FOCAPD 2024)
Um den optimalen Betrieb einer DAC-Anlage zu minimalen Kosten (bestehend aus Strom- und Wärmeeinkauf) innerhalb eines Energiesystems zu gewährleisten, ist es entscheidend, ein Modell zu entwickeln, das die Leistung der DAC-Anlage in die Optimierung des Energiesystems integriert und dabei die unterschiedlichen Betriebsbedingungen der einzelnen Phasen berücksichtigt. Gleichzeitig sollte das daraus resultierende Optimierungsproblem mit angemessenem Rechenaufwand lösbar sein.
Das Decision Discovery and Optimization (DDO) Lab von Prof. Qi Zhang [3] ist auf die Entscheidungsfindung für komplexe Systeme sowie die Entwicklung rechnerischer und datengetriebener Methoden spezialisiert. Von der Expertise und Erfahrung des Labs habe ich in hohem Maße profitiert, insbesondere im Hinblick auf innovative Ansätze zur Optimierung komplexer Prozesse und die Anwendung fortschrittlicher Analysetools, die direkt zu meinem Forschungsfortschritt beigetragen haben. Während meines Forschungsaufenthalts hatte ich auch die Gelegenheit, mich wöchentlich persönlich mit Prof. Zhang auszutauschen und jederzeit fachliche Diskussionen mit den anderen Ph.D.-Studierenden sowie Post-Docs zu führen.
Als Ergebnis des Forschungsvorhabens wurde ein neuer Ansatz zur Modellierung von komplexen Prozesssystemen für die Anwendung im Rahmen von Energiesystemoptimierung entwickelt. Die resultierenden Optimierungsprobleme können mit einem Lösungsansatz, der drei unterschiedlichen Varianten umfasst, effizient und bei geringem Rechenaufwand gelöst werden. Derzeit bereite ich nach dem Forschungsaustausch eine Publikation vor, um die Ergebnisse in einem Peer-Review-Journal zu veröffentlichen.

Privat
Yifan Wang neben der Goldy Gopher Sculpture znd der Universitätsbibliothek
Neben meinem eigenen Projekt hatte ich die Möglichkeit, die anderen Forscher*innen sowie die spannenden Forschungsthemen im Lab kennenzulernen. Mit einigen Kolleg*innen habe ich mich so gut verstanden, dass wir auch privat in Kontakt geblieben sind. Besonders fasziniert hat mich das Forschungsthema „Inverse Optimization“. Dabei werden die zugrunde liegenden Parameter eines Optimierungsproblems aus beobachteten Entscheidungen oder Lösungen abgeleitet, anstatt ein Problem direkt mit bekannten Parametern zu lösen.
Darüber hinaus, organisieren das Lab und das Department regelmäßig fachliche Seminare und Sitzungen, in denen sowohl renommierte Forscher*innen, Führungspersonen aus Industrien als auch aufstrebende Nachwuchsforscher*innen ihre Arbeiten präsentieren. Die unterschiedlichen Perspektiven, geprägt durch die vielfältigen wissenschaftlichen Hintergründe, habe ich dabei als äußerst bereichernd wahrgenommen.
Außerdem hatte ich die Gelegenheit, vor Ort an drei fachlichen Konferenzen teilzunehmen. Zwei davon wurden von der University of Minnesota organisiert, während die dritte, die Konferenz „FOCAPD 2024“ [4], bereits im Rahmen des Forschungsaustauschs geplant war. Dort hatte ich die Gelegenheit, meine eigene Arbeit in Form eines Posters zu präsentieren. Der Titel der Arbeit lautet „RiNSES4: Rigorous Nonlinear Synthesis of Energy Systems for Seasonal Energy Supply and Storage“.
Neben dem klassischen Networking hat mich besonders das Format der Konferenzen beeindruckt: Tagsüber gab es Präsentationen von eingeladenen Professor*innen, Entscheidungsträger*innen, Politiker*innen sowie Führungs- und Fachkräften aus Industrien, die mir vielfältige Einblicke und neue Perspektiven ermöglichten. Die Poster-Sessions fanden in einem kleineren Rahmen statt, was es mir ermöglichte, meine Forschung intensiv mit Wissenschaftler*innen aus unterschiedlichen Universitäten und Fachbereichen zu diskutieren. Dabei konnte ich wertvolles Feedback sammeln, das meine Arbeit bereichert hat.

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Die Golden Gate Bridge
Geboren und aufgewachsen in China und danach über 10 Jahre in Deutschland gelebt, war es für mich das erste Mal, in die USA zu reisen – eine großartige Gelegenheit sowohl fachlich als auch persönlich. Weil ich eine akademische Laufbahn anstrebe, war ich von der Intensität und dem Umfang der Forschungsaktivitäten sehr beeindruckt. Die Vielzahl an Gelegenheiten und Herausforderungen, die Forscher*innen geboten werden, sind bemerkenswert. Beispielsweise ist es an amerikanischen Hochschulen gewünscht, dass Studierende an unterschiedlichen Universitäten Bachelor-, Master-, Promotionsprogramme absolvieren und sich austauschen, was zu einem sehr starken Fachnetzwerk in den USA führt.
Auch abseits der wissenschaftlichen Tätigkeiten, hatte ich eine schöne Zeit vor Ort. Bei der Zimmersuche, der Ankunft vor Ort, sowie beim Kennenlernen der Universität und der Stadt wurde ich von meinem Mentor und seinen Doktorand*innen hervorragend unterstützt. Ich hatte eine Einzimmerwohnung von einem anderen Visiting Scholar im Lab übernommen. Die Miete war zwar recht hoch (etwa 1.500 USD pro Monat), doch die Wohnung lag in der Nähe des Campus und war sehr gut ausgestattet. Dadurch konnte ich Kosten für tägliche Verkehrsmittel einsparen, und alltägliche Aufgaben wie Lebensmitteleinkäufe wurden deutlich erleichtert.
Die Kolleg*innen im Lab empfingen mich herzlich und zeigten mir viele Seiten von Minneapolis. Zu den Highlights gehörten der Minnehaha-Wasserfall, das Polarlicht, die Minnesota State Fair, und kulinarische Spezialitäten aus unterschiedlcihen Kulturen, wie etwa aus Äthiopien, Indien oder Hongkong.. Besonders genoss ich die sommerliche Atmosphäre von Minneapolis. Spaziergänge oder Laufen entlang des Mississippi-Flusses boten mir die perfekte Auszeit. Im Vergleich zu meinem Alltagsleben in Deutschland sind Menschen in den USA oft offener.

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Minniapolis aus eine anderen Perspektive
Zum Beispiel beginnt man beim Kaffeebestellen in den USA häufig mit einem „Wie geht es dir heute?“, während in Deutschland ein einfaches „Hallöchen“ ausreicht. Außerdem sind Unternehmungen in den USA oft auf die beeindruckende Natur und große Events ausgerichtet, wie Besuche von Nationalparks oder Musikfestivals. In Deutschland hingegen stehen kulturelle und historische Aktivitäten im Vordergrund, wie Besuche von Museen, Schlössern oder traditionellen Festen. Allerdings habe ich die bequemen öffentlichen Verkehrsmittel in Deutschland sehr vermisst.
Zusätzlich hatte ich die Möglichkeit für zwei weitere privaten Reisen: zunächst eine Reise nach Boston und New York, und später eine Reise von San Diego über Las Vegas und Los Angeles bis nach San Francisco. Diese Reisen haben mir weitere vielfältige Seiten der USA gezeigt und ich habe viele Eindrücke sammeln können. Ich hatte die Gelegenheit, die weltbesten Universitäten in Boston zu besichtigen und war beeindruckt von dem prunkvollen und luxuriösen Design sowie der Dekoration in Las Vegas. Andererseits gibt es offenbar auch Schattenseiten in Amerika; so hörte ich z.B. zum ersten Mal die Geschichte der sogenannten „Mole People“ in Las Vegas. In San Francisco war ich von der beeindruckenden Schönheit der Golden Gate Bridge sowie der fortschrittlichen Technologie fahrerloser Taxis fasziniert, die durch die Stadt fahren.
Insgesamt war mein Forschungsaufenthalt ein großer Erfolg. Innerhalb von sechs Monaten habe ich unglaublich viel gelernt, erlebt und neue Eindrücke gewonnen. Für den erfolgreichen Verlauf meines Forschungsaufenthalts habe ich viel Unterstützung und Hilfe erhalten.
Ich möchte mich herzlich bei Prof. Niklas von der Aßen, meinem akademischen Betreuer am Lehrstuhl für Technische Thermodynamik, bei Prof. Qi Zhang, meinem Mentor vor Ort in Minneapolis, und bei Prof. Kai Leonhard vom Lehrstuhl für Technische Thermodynamik bedanken. Dank ihrer umfassenden Unterstützung wurde mir dieser Forschungsaufenthalt ermöglicht. Besonders bedeutend war für mich die Förderung durch das „KSB Stiftung Stipendium der DAAD-Stiftung“, die mir zusätzlichen Freiraum geschaffen hat. Dadurch konnte ich eine neue Welt – sowohl fachlich als auch menschlich und kulturell – entdecken und erkunden
[1] Wang, Y., Bornemann, L., Reinert, C., & von der Aßen, N. (2023). A Power-to-Gas energy system: modeling and operational optimization for seasonal energy supply and storage. In Computer Aided Chemical Engineering (Vol. 52, pp. 2867-2872). Elsevier.
[2] Postweiler, P., Engelpracht, M., Rezo, D., Gibelhaus, A., & von der Assen, N. (2024). Environmental process optimisation of an adsorption-based direct air carbon capture and storage system. Energy & Environmental Science, 17(9), 3004-3020.
[3] https://qizh.cems.umn.edu
[4] https://focapd.cache.org/
Stand: November 2024.