Annika Schür

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Blick von Monte Igeldo auf San Sebastián

„Das KSB Stiftung Stipendium der DAAD-Stiftung ermöglichte es mir, spannende Experimente am Institut Cidetec in San Sebastián durchzuführen, neue Kontakte zu knüpfen und tolle Erfahrungen und Erinnerungen zu sammeln.“

Annika Schür verbrachte dank des KSB Stiftung Stipendiums sechs Wochen in San Sebastián, wo sie im Rahmen ihrer Promotion forschte und die Stadt erkundete. Im folgenden Text teilt sie Einblicke in ihr Forschungsprojekt sowie in ihren Alltag in Spanien:

Forschen in San Sebastián

Vom 12.09.2022 bis zum 21.10.2022 war ich bei Cidetec Energy Storage in San Sebastián für einen 6-wöchigen Forschungsaufenthalt im Rahmen meiner Doktorarbeit „Understanding and Quantifying the Impact of Moisture and Humidity on State-of-the-Art and Next-Generation Li-Ion Cathode Materials“ am Helmholtz-Institut Ulm. Meine Doktorarbeit ist in das EU-Projekt „Si-DRIVE“ eingebunden, bei der Cidetec einer der Partner ist.

In diesem Projekt wird die Verwendung eines Lithiumreichen, Kobaltfreien Schichtoxids als neuartiges Kathodenmaterial für Lithium-Ionen-Batterien untersucht. Der Ausschluss von Kobalt aus Kathodenaktivmaterial ist nur ein Schritt auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit in der Batterieproduktion. Ein weiterer wichtiger Aspekt meiner Doktorarbeit, neben der Entwicklung des Kathodenmaterials, ist die Verarbeitung des Kathodenmaterials zur Elektrode. Dafür wird das Kathodenmaterial mit einem Leitruß (für bessere elektrische Leitfähigkeit), einem Binder (für bessere mechanische Stabilität der Elektrode) und Lösemittel zu einer Elektrodenpaste gemischt, die auf den Aluminium-Stromabnehmer aufgetragen wird.

Der Binder spielt eine entscheidende Rolle für die Stabilität der Elektrode und hat gleichzeitig Auswirkungen auf die elektrochemische Leistung und Kapazität der Batterie. Im Moment wird für Kathoden standardmäßig Polyvinylidenfluorid (PVDf) verwendet. Dieser Binder benötigt N-Methyl-2-pyrrolidon (NMP) als Lösemittel. NMP ist ein gefährliches organisches Lösemittel und muss aufwendig aufgefangen und recycelt werden, da es in der EU als CMR-Stoff (kanzerogen, mutagen, fortpflanzungsgefährdend) klassifiziert ist. Wasserlösliche Binder ermöglichen die Verwendung von Wasser als Lösemittel. Das spart Kosten und Ressourcen, denn nicht nur muss Wasser nicht recycelt werden. Wasser hat einen niedrigeren Siedepunkt als NMP, was niedrigere Elektrodentrocknungs-temperaturen ermöglicht und somit Energie und Kosten spart. Im Projekt wurden verschiedene Methoden zur Herstellung von wässrigen Elektrodenpasten untersucht werden. Dafür habe ich zwei verschiedene wässrige Binder, Carboxymethylcellulose (CMC) und Guargum (GG) verglichen. Die Ergebnisse des Forschungsaufenthalts werden auf der Konferenz der International Society of Electrochemistry (ISE) in Lyon vorgestellt, und ein Manuskript für die Veröffentlichung in einem wissenschaftlichen Journal ist ebenfalls geplant.

Schür Collage

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Bootsausflug zum Flysch

Cidetec ist ein Forschungsinstitut, das zwischen akademischer und industrieller Forschung angesiedelt ist. Am Institut wurde ich von allen sehr herzlich aufgenommen und auch schnell in Mittagessens-Gruppen etc. integriert. Die meisten Angestellten sind Spanier oder Basken. Viele meiner Kollegen dort haben Englisch mit mir gesprochen, aber die Arbeitssprache im Labor ist Spanisch. Daher kamen mir meine Spanischkenntnisse sehr entgegen, besonders da für viele Basken Englisch die zweite Fremdsprache nach Spanisch ist (Baskisch ist zwar eine kleine Sprache, wird aber sehr aktiv gesprochen). Obwohl das Büro leider ein Großraumbüro mit ca. 30 Arbeitsplätzen war, war die Atmosphäre im Büro sehr angenehm und konzentriert. Die phänomenale Aussicht von meinem Arbeitsplatz aus, bei dem ich das Meer und den Stadtberg Monte Urgull sehen konnte, haben den Nachteil des Großraumbüros definitiv auch wieder wett gemacht.

Meine Arbeit bei Cidetec bestand daraus, Elektrodenpasten mit unterschiedlichen Bindern herzustellen und die Viskosität der Paste zu testen, die entscheidend für die Verarbeitung der Elektrode ist. Aus den Elektroden habe ich Knopfzellen gebaut und diese dann im Batterietester zykliert. Ich kannte viele Instrumente schon aus Deutschland, aber bei Cidetec ist alles etwas größer, auch die Elektrodenpasten werden aus einem Vielfachen des Aktivmaterials hergestellt wie in Deutschland und es ist möglich, Batterien mit höherer Kapazität zu testen. Genau diese Unterschiede zu sehen und zu erleben war ein Ziel dieses Forschungsaufenthaltes.

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Forschungsaufenthalt bei Cidetec ein Erfolg war und die Ergebnisse zu neuen Erkenntnissen geführt haben, die ich auf der Konferenz der International Society of Electrochemistry (ISE) in Lyon vorstelle. Guargum stellt eine gute Alternative zu Carboxymethylcellulose als wasserlöslicher Binder in Kathoden dar. Durch die höhere Viskosität von Guargum wird nicht nur weniger Guargum in der Elektrodenpaste für ein ähnliches rheologisches Verhalten benötigt, sondern es kann mehr Aktivmaterial eingesetzt werden. Dies hat eine höhere Batteriekapazität zur Folge. Außerdem sorgt Guargum für eine bessere mechanische Stabilität der Elektrode mit herausragenden Ergebnissen bei T-Peeltest.

Schür Pasaia

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Blick auf das historische Fischerdorf Pasaia

Leben in San Sebastián

San Sebastián – Donostia auf baskisch - ist ein beliebtes Touristenziel in Spanien. Außerdem gibt es mehrere Universitäten und eine bekannte Kochschule. All das erschwert die Zimmersuche in San Sebastián erheblich. Insgesamt ist Wohnen relativ teuer; Wohnraum ist in keiner anderen Stadt in Spanien so teuer wie in San Sebastián. Ich habe auf Idealista nach einem Zimmer für nur 6 Wochen gesucht und großes Glück gehabt: Ich habe ein Zimmer zur Untermiete bei einer super netten Vermieterin gefunden. Sie hat während den 6 Wochen Forschungsaufenthalt meinen Touristenguide gespielt und zusammen haben wir viele Ausflüge unternommen, z.B. nach Pasaia, einem kleinen Fischerort, der bekannt für ein Ruderboot Museum und das Haus von Victor Hugo (Autor von Les Misérables) ist, oder Zumaia mit dem Unesco Welterbe Flysch, wo auch einige Szenen der 8. Staffel Game of Thrones gedreht wurden. Durch sie konnte ich einen guten Einblick in die baskische Kultur gewinnen und auch einige Worte baskisch lernen. Dazu gehören beispielsweise die Festumzüge der Gigantes und Cabezudos („Riesen und Großköpfe“) in San Sebastián oder das Schlange stehen beim morgendlichen Warten auf den Bus, wer zuerst kommt steigt zuerst ein, vordrängeln ist verboten. Zusammen haben wir oft die Stadt unsicher gemacht und Wanderungen auf den Hausberg Monte Ulia und Monte Igeldo bestritten. Monte Ulia hat viele schöne Wanderwege, während auf Monte Igeldo eine alte Seilbahn hinaufführt. Oben hat man eine traumhafte Postkartenaussicht auf die Stadt, und auf dem Berg gibt es einen kleinen Freizeitpark, der aber eher für Kinder interessant ist. Der letzte Hausberg, Monte Urgull mit der Statue auf dem Gipfel hat verschiedene Fortanlagen, die bis in die Zeit der napoleonischen Kriege zurückreichen.

Das Wetter war Ende September noch herrlich warm, und am Wochenende und nach der Arbeit war ich deswegen oft am Strand Zurriola. San Sebastián liegt direkt am atlantischen Ozean und ist auch als Surferparadies bekannt. Die Stadt hat 3 Strände: Ondarreta, La Concha und Zurriola. La Concha ist der bekannteste Strand und liegt sehr nah am Zentrum. Zurriola ist der Strand der Surfer, weil es dort die besten Wellen gibt.

Schür Zurriola

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Der Strand Zurriola bei Sonnenuntergang, links die Veranstaltungshalle "Kursaal", im Hintergrund Monte Urgull

San Sebastián ist außerdem bekannt für seine gute Küche. Besonders beliebt sind die sogenannten Pintxos, das baskische Äquivalent zu den spanischen Tapas. In den Vierteln Parte Vieja und Gros gibt es viele Pintxo Bars, die am Wochenende gut gefüllt sind. Sehr gute Pintxo Bars erkennt man daran, dass sie keine Riesenauslage mit fertigen Pintxos hinter der Bar haben, sondern eine kleinere, oft auch tagesaktuelle Karte. Am Donnerstag ist in vielen Bars im Viertel Gros „Pintxo Pote“, wo es Pintxo + Getränk für wenige Euros gibt. Pintxo Pote ist bei Studenten sehr beliebt, und ich habe einige Pintxo Potes mit Studenten der Universität San Sebastián verbracht, die ich bei der Arbeit im Cidetec Institut kennengelernt habe. Leider haben die wenigsten Kontakte meine Rückkehr nach Deutschland überstanden, nur mit einem Doktoranden am Institut Cidetec habe ich noch Kontakt.

Schür Pintxos

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Pintxos sind ein fester Bestandteil baskischer Kultur, genauso wie Entenleber (Foie gras)

Ausflüge machen und Reisen ist einfach im Baskenland, die Anbindung der meisten Orte ist sehr gut, es gibt ein gutes Bus- und Bahnnetz. Reisen, und auch der Stadtverkehr wird noch günstiger, wenn man eine Mugi Karte benutzt. Ich habe mir für 5€ eine solche Karte im nächsten Zeitschriftenladen gekauft. Mit der Mugi Karte bekommt man 30% Rabatt auf den regulären Fahrpreis, die Karte lohnt sich also sehr schnell. Die Mugi Karte kann auch verwendet werden, um von San Sebastián in die umliegenden Orte zu fahren. Sie gilt im Bus und in den Regionalzügen Euskotren, und in den Bussen des Busunternehmens Lurraldebus, mit denen man auch nach Bilbao kommt. An den Wochenenden habe ich viele Ausflüge in die Umgebung gemacht, z.B. nach Ondarribia an der französischen Grenze. Von dort kann man über den Jakobsweg zurück nach San Sebastián wandern. Die baskische Hauptstadt Bilbao ist mit dem Bus 2 Stunden entfernt. Dort habe ich das berühmte Guggenheim-Museum besichtigt und das Schifffahrtsmuseum Itsas museo, beides lohnt sich absolut und war einen Besuch wert. Die Basken waren unerschrockene Seefahrer, die früher mit Ruderbooten auf Walfang gingen, und es war der baskische Seefahrer Juan Sebastián Elcano, dem als erstes die Umsegelung der Welt gelang, indem er Magellans Reise vollendete.

Fazit

San Sebastián ist eine Stadt, die mir schnell ans Herz gewachsen ist. Trotz der kurzen Zeit, die ich hier verbracht habe, konnte ich viel lernen und viel mitnehmen aus dem Laboralltag und mein Forschungsvorhaben war ein großer Erfolg. Meine netten und herzlichen Kollegen haben mir den Einstieg sehr leicht gemacht. Besonders in Erinnerung bleiben wird mir das erste Mal Pintxos essen gehen mit einem Kollegen: Ich hatte das wechselhafte baskische Herbstwetter total unterschätzt, und wurde durch den plötzlich einsetzenden und sehr ausdauernden Platzregen pitschnass. Die super leckeren Pintxos haben das allerdings wieder wettgemacht… Allgemein habe ich die Menschen im Baskenland als freundlich, aufgeschlossen und offen erlebt. Ich hoffe, dass die Kontakte, die ich knüpfen konnte, noch lange halten werden.

Stand: August 2023.