Sher Muhammad

Privat

Demonstration gegen die russische Invasion in die Ukraine, 27.02.2022

Der Sozialwissenschaftler Dr. Sher Muhammad wurde zwischen zweimal durch das  Max G. Huber Stipendium der DAAD-Stiftung gefördert. Beide Aufenthalte verbrachte er am Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien der Humboldt-Universität Berlin. Sein Forschungsbereich beinhaltet unter anderem die Frage, ob die Frauenquote im Pakistanischen Parlament die Lage der Frauen in Pakistan verbessern wird. Zudem untersucht er die Rolle der Frauen als "Change Agents" in Hybriden Regimen und die Rolle des Rechtspopulismuses bei den Frauenrechten.

Seine Berichte über die beiden Forschungsaufenthaltenhaben wir hier für Sie zur eingestellt (bitte für den ersten Bericht bis ganz nach unten scrollen):

Sher Muhammads zweite Förderung 2024

„Ich danke der DAAD-Stiftung von ganzem Herzen, dass sie mir ein weiteres Mal die Gelegenheit zu einem dreimonatigen Forschungsstipendium gegeben hat. Der Aufenthalt fand am Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien der Humboldt-Universität statt, in Zusammenarbeit mit der Berlin Graduate School of Muslim Cultures and Societies der Freien Universität Berlin. Ein weiteres Stipendium der DAAD-Stiftung zu erhalten, ist eine große Ehre und ein starker Antrieb für meine wissenschaftliche Laufbahn. Die DAAD-Stiftung unterstützt meine Forschungsbemühungen fortlaufend und hat mich dazu angespornt, mir höhere Ziele zu setzen.“

Der Sozialwissenschaftler Dr. Sher Muhammad forschte, gefördert durch das Max G. Huber Stipendium der DAAD-Stiftung, an der Humboldt-Universität Berlin. Sein Forschungsbereich beinhaltete unter anderem Gleichstellungsfragen in seiner Heimat Pakistan, diesen möchte er jodoch auf andere Asiatische Länder ausweiten.

Über seinen zweiten Aufenthalt in Deutschland schreibt er wie folgt:

Die pakistanische Gesellschaft ist durch zahlreiche Ungerechtigkeiten und Vorurteile in Genderfragen gekennzeichnet. Ich habe solche Ungerechtigkeiten als Augenzeuge miterlebt, was mich sehr erschüttert und dazu angeregt hat, meine Laufbahn in einer Nichtregierungsorganisation zur Stärkung der Rolle der Frauen zu beginnen.

Das Asian Forum for Human Rights and Development in Bangkok (Thailand), eine regionale Menschenrechtsorganisation, die sich für Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung in Asien einsetzt, lud mich 2006 zu einem Schulungsseminar ein, das mir die Geschlechterstudien als meine heute bevorzugte Forschungsdisziplin nahebrachte. Ich bin fest davon überzeugt, dass Gleichberechtigung unabdingbar ist, da sie intakte Gemeinschaften, wirtschaftliche Entwicklung und den gesellschaftlichen Frieden fördert.

Muhammad Bei Der Arbeit

Privat

Sher Muhammad auf seiner Arbeitsstelle

Nach meinem Einstieg in die akademische Welt bin ich diesem Anliegen in Forschung und Lehre stets treu geblieben. 2013 hatte ich die Gelegenheit, im Rahmen eines Masterstudiengangs an der Universität Oslo in Norwegen das europäische Gleichberechtigungsparadigma kennenzulernen. Deutsche Hochschulen verfügen über ausgezeichnete Forschungseinrichtungen im Bereich Genderstudien, was meine Entscheidung für das Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien der Humboldt-Universität zu Berlin beeinflusst hat.

Das Zentrum gab mir die Chance zu einem Forschungsaufenthalt. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass meine Mentorin, Dr. Andrea Fleschenberg, drei Jahre lang eine DAAD-Professur an einer pakistanischen Hochschule innehatte und durch ihre Forschung mit der politischen Repräsentation von Frauen in Pakistan vertraut ist.

Muhammad Im Museum

Privat

Sher Muhammad in der Humboldt Universität und vor dem Humboldtforum

Während meines letzten Forschungsaufenthalts 2021/22 arbeiteten Dr. Fleschenberg und ich an einem Projekt, das die Publikation einer Sonderausgabe zur politischen Repräsentation von Frauen in Asien in einem Fachjournal vorschlug. Mein Forschungsschwerpunkt ist zwar Pakistan, doch ich möchte meine Forschung um vergleichende Fallstudien aus anderen asiatischen Ländern erweitern.

In Asien gibt es ungefestigte Demokratien, hybride Regierungsstrukturen und politische Systeme, die durch wiederkehrende Phasen des Übergangs zwischen demokratischer Liberalisierung, Militärputsch und neuerlichem Autoritarismus geprägt sind. Hinzu kommen (Post-)Konfliktumgebungen und illiberale, rechtsgerichtete, neopopulistische Regime.

Die Mitwirkenden der geplanten Sonderausgabe wollen weitere transregionale Studien zu den Auswirkungen politischer und institutioneller Volatilität, zu den (ver-)schwindenden Räumen für Gleichberechtigungsinitiativen und -aktivismus sowie zum Einfluss des Rechtspopulismus auf die nachhaltige und substanzielle politische Repräsentation und Mitwirkung von Frauen anstoßen. Wir untersuchen, wie regressive Tendenzen und instabile Rahmenbedingungen Frauen in ihrer Rolle als politische Akteurinnen und Change Agents beeinträchtigen.

Dabei sind wir uns bewusst, dass die Region Asien sehr vielfältig ist und entsprechend große Disparitäten hinsichtlich der politischen Beteiligung der Geschlechter aufweist. Die geplante Sonderausgabe soll im kommenden Jahr erscheinen und wird einen wichtigen Meilenstein meiner wissenschaftlichen Laufbahn darstellen.

Derzeit bin ich als außerordentlicher Professor tätig und hoffe, dass mir dieses Projekt dabei hilft, die nächste Stufe auf der akademischen Karriereleiter zu erklimmen.

Wenn ich in Berlin bin, versuche ich immer, meine universitären Studien möglichst früh am Tag zu beginnen, damit ich nachmittags noch Zeit habe, um die Stadt zu erkunden. Besonders gerne bin ich in der Starbucks-Filiale am Pariser Platz, da sie Touristen eine der besten Aussichten auf das historische Brandenburger Tor bietet. Auch Spaziergänge durch den malerischen Treptower Park sind immer wieder ein schönes Erlebnis. Am Wochenende treffe ich mich gerne mit Freund:innen.

Im Rahmen dieses dreimonatigen Stipendiums habe ich Forschungsbeiträge zu akademischen Publikationen gemeinsam mit renommierten SAGE-Autor:innen erstellt. Ganz besonders freut mich, dass vier meiner Beiträge für die SAGE Encyclopedia of Gender and Politics angenommen wurden, welche im Sommer 2025 erscheinen wird.

Muhammad In Der Bibliothek

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Sher Muhammad in der Bibliothek

Während des Aufenthalts 2024 habe ich begeistert Deutschland wiederentdeckt, ein Land, das Bekannte scherzhaft meine „zweite Heimat“ nennen, da ich nun schon zum sechsten Mal hier war. Eines Tages wird Deutsch auch meine zweite Sprache sein. Ich schätze jede Gelegenheit, hier zu sein, nicht nur um zu forschen und die zahlreichen Facetten der hiesigen Forschungslandschaft kennenzulernen, sondern auch um die lebendige und vielfältige Kultur Berlins zu erleben.

Immer wenn ich ein Land besuche, erkunde ich dessen Städte. Dieses Mal habe ich die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden sowie Bonn, Köln, Frankfurt, Dresden und Potsdam besucht, aber die eindrucksvollste Erfahrung war die Burg Eltz, eine mittelalterliche Befestigungsanlage auf einem Hügelsporn oberhalb der Mosel zwischen Koblenz und Trier.

Darüber hinaus hatte ich diesmal das Privileg, mehrere Hochschulen in Europa besuchen zu dürfen, darunter die Universität Triest in Italien, die Johannes Gutenberg-Universität Mainz, die Goethe-Universität Frankfurt am Main, die Postdoc Academy der Berlin University Alliance (BUA), das Großbritannien-Zentrum der Humboldt-Universität, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin und die School of Creativity and Democracy im spanischen Barcelona.

Jeder Besuch hat meine Erfahrung durch die Teilnahme an akademischen Veranstaltungen wie Workshops, Konferenzen und Vorlesungen bereichert. Die Autumn School on Citizens' Assemblies in Barcelona bot eine herausragende Gelegenheit für den intellektuellen Austausch. Dabei konnte ich sowohl meine praktischen Kompetenzen erweitern als auch aufschlussreiche Erkenntnisse gewinnen, die auf einen ganz neuen Ansatz für die deliberative Demokratie innerhalb meiner Hochschule abzielen.

Für Menschen aus dem Globalen Süden, etwa aus Pakistan, ist dies ein besonders innovatives Konzept. In einer anregenden kollektiven Lernumgebung genoss ich zwei Tage lang das Privileg, Diskussionen internationaler und lokaler Expert:innen zu Erfolgsmethoden und Fallstudien anzuhören sowie mit anderen Akademiker:innen und öffentlichen Bediensteten zusammenzuarbeiten. p>

Muhammad Gruppenbild

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Sher Muhammad im Kreise seiner Kollegen

Berlin ist nach wie vor eine schöne, multikulturelle Stadt, bringt aber für Menschen aus anderen Ländern auch einige Herausforderungen mit sich, vor allem bei der Wohnungssuche – ein Problem, das ich von meinem vorherigen Aufenthalt kannte. Zum Glück war die Wohnungssuche dieses Mal erstaunlich einfach. Dies verdanke ich einer deutschen Freundin, die für mich eine Unterbringung bei ihrem Kollegen, einem Lehrer, organisierte.

Für mich war das ein einmaliges Erlebnis: Das Haus meines Gastgebers ist voller Bücher zu allen möglichen Themen – der ideale Ort für einen Wissenschaftler. Der intellektuelle Austausch mit ihm war immer ein Vergnügen, das zum Nachdenken anregte. Er arbeitet als Berater für ein Unternehmen im Bildungsbereich und hat schon mehrere Male Pakistan besucht . Wir haben oft angeregt miteinander diskutiert.

Ich möchte Ihnen für meinen Aufenthalt in Berlin danken, bei dem ich einige Kontakte zu Einheimischen knüpfen konnte. Dies erleichterte mir in meinem besonderen Fall die Wohnungssuche und ermöglichte zahlreiche Zusammenkünfte mit deutschen Freund:innen in unserem Zuhause. Die Zeit, die ich in Gesellschaft von Freund:innen verbracht habe, und die interessanten Gespräche und Denkanstöße, die dabei zustande kamen, waren ein fantastisches Erlebnis.

Muhammad Burg Eltz

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Sher Muhammad bei einer Buchvorstellung und vor der Burg Eltz

Das Gefühl der Einsamkeit wie bei meinem vorherigen Aufenthalt habe ich diesmal durch die Teilnahme an gesellschaftlichen Veranstaltungen und durch Kontakte, die ich in Berlin geknüpft habe, aktiv überwunden. Ich habe eine Grillparty für meine Bekannten vom ersten Aufenthalt organisiert, mit einer deutschen Schullehrkraft und meinem Gastgeber gefrühstückt und war sogar zur Schulfeier einer Freundin eingeladen. Dies war eine tolle Gelegenheit, verschiedene Veranstaltungen zu erleben und ihre Kolleg:innen kennenzulernen. Alles in allem hatte ich viele schöne Erlebnisse.

Bei meinem Aufenthalten in Berlin versuche ich immer, faszinierende Veranstaltungen kennenzulernen. Am 17. August 2024 fand in Berlin die Rave The Planet Parade statt, eine Technoparade und ein Festival für elektronische Tanzmusik. Auf dieser Veranstaltung begegneten mir einige beeindruckende Slogans: „Make Love, Not War“, „Love is Stronger“, „Frieden und Abrüstung zwischen allen Menschen“ und „Gleichstellung der elektronischen Musikkultur“. Vom 4. bis 13. Oktober 2024 war das jährliche Festival of Lights, das unter dem Motto „Celebrating Freedom“ stand. Es erinnerte an den 35. Jahrestag des Mauerfalls. Das Lichtspektakel am Brandenburger Tor ging unter die Haut.

Ein Aspekt, der mich an Deutschland beeindruckt, ist das effiziente öffentliche Verkehrswesen. Diesmal hatte ich die Möglichkeit, das 49-Euro-Ticket zu nutzen, mit dem man landesweit unbegrenzt reisen kann. An Berliner Bahnhöfen fielen mir einige technische Innovationen ins Auge, darunter Bildschirme mit Echtzeitdaten zur Auslastung des Zuges, sodass Reisende gezielt weniger überfüllte Wagen ansteuern können. Das spart Zeit und reduziert Stress, ein Beleg dafür, das sich Deutschland der Verbesserung seiner öffentlichen Güter verpflichtet fühlt.

Begeistert war ich auch von Berlins kultureller und sprachlicher Vielfalt, obwohl mir bewusst wurde, dass soziale Integration grundlegende Deutschkenntnisse voraussetzt. Viele Berliner sprechen zwar Englisch, aber mit Deutschkenntnissen kann man leichter Kontakte knüpfen, sich im Alltag besser zurechtfinden und tiefer in die lokale Kultur eintauchen.

Muhammmad Italien

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Sher Muhammad an der Universität Trieste

Ich bin der DAAD-Stiftung und allen, die mich bei diesem Aufenthalt unterstützt haben, ausgesprochen dankbar. Ich möchte meine aufrichtige Wertschätzung für meine Mentorin, Dr. Andrea Fleschenberg, ausdrücken, die mir in meiner akademischen Laufbahn jederzeit ermutigend und unterstützend zur Seite stand. Ihre Motivation und Ihr Rat sind unverzichtbare Komponenten meiner wissenschaftlichen Arbeit.

Auch Dr. Gabriele Jähnert, Geschäftsführerin des Zentrums für transdisziplinäre Geschlechterstudien der Humboldt-Universität, hat mir während meines gesamten Aufenthalts unschätzbare Hilfe geleistet. Ich danke ihr herzlich, dass sie meine Bewerbung als Gastwissenschaftler zum zweiten Mal angenommen hat. Ich freue mich darauf, nach Deutschland – meine „zweite Heimat“ – zurückzukehren und meine wissenschaftlichen Projekte in dieser inspirierenden Umgebung fortzusetzen.

In meiner Forschung widme ich mich verschiedenen Bereichen der politischen Repräsentation von Frauen. Deutschland und Pakistan haben in dieser Hinsicht eine bemerkenswerte Gemeinsamkeit: Deutschland wurde zwischen 2005 und 2021 von Bundeskanzlerin Angela Merkel regiert, Pakistan 1988 bis 1990 und erneut 1993 bis 1996 von Premierministerin Benazir Bhutto. Daher habe ich mir für einen künftigen Forschungsaufenthalt in Deutschland das Ziel gesetzt, diese beiden Politikerinnen vergleichend zu untersuchen.

Stand: November 2024. Die englische Version ist das Original

Sher Muhammads erste Förderung 2021/22

"Allein zu leben und zufrieden zu sein, ist vielleicht die wertvollste Lektion, die man in Berlin lernen kann. Dabei geht es nicht nur um das Gefühl von Einsamkeit und Heimweh, sondern auch darum, seine Zeit effektiv zu nutzen."

Durch ein Max G. Huber-Stipendium konnte Sher Muhammad ein Forschungsprojekt am Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien (ZtG) der Humboldt-Universität zu Berlin durchführen, das er durch viele eigene Erfahrungen komplementierte.

Im Folgenden berichtet er von diesen:

Die verschiedenen Konferenzen, Workshops und Kurse in Deutschland (insgesamt sechs), an denen ich vor meinem Stipendienaufenthalt teilgenommen hatte, weckten in mir den Wunsch, mich nach Abschluss meiner Promotion auf dieses prestigeträchtige Kurzzeit-Forschungsstipendium zu bewerben. Ermöglicht wurde meine Forschung am Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien (ZtG) der Humboldt-Universität zu Berlin durch ein Max G. Huber Stipendium der DAAD-Stiftung. Ich bin sehr froh darüber, dass die akademische Beziehung, die ich vor 15 Jahren mit PD Dr. Andrea Fleschenberg während ihrer Tätigkeit als DAAD-Professorin in Pakistan aufbaute, fortgesetzt werden konnte und sogar zu dieser Forschungszusammenarbeit geführt hat. Mein Aufenthalt am Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien (ZtG) war für mich eine einmalige akademische Gelegenheit, da ich dort auf eine Vielzahl an Ressourcen zugreifen konnte, die mir in Pakistan nicht zugänglich gewesen wären.

Mein übergreifendes Forschungsziel war eine Untersuchung, wie der steigende Frauenanteil im pakistanischen Parlament die politische Vertretung von „Fraueninteressen“ in den parlamentarischen Vorgängen (Debatten zu Gesetzentwürfen/-initiativen seitens einzelner Abgeordneter oder der Regierung) und den daraus resultierenden gesetzgeberischen Maßnahmen beeinflusst. Zu diesem Zweck wurde das Fallbeispiel Pakistan – eines der ersten Länder weltweit, die eine Frauenquote eingeführt haben – ausgewählt, um die Theorie der kritischen Masse im Rahmen einer Studie zum Globalen Süden zu testen. Eine solche Studie stellt ein aktuelles Desiderat hinsichtlich der empirischen Forschung und der Theoriebildung dar. Dazu wurde eine qualitative Analyse teilstrukturierter Interviews mit weiblichen Abgeordneten durchgeführt, ebenso eine gründliche Analyse der Sitzungen dreier Legislaturperioden seit der Einführung der Quotenregelung 2001/02, nämlich der 12. (2002–2007), 13. (2008–2013) und 14. Gesetzgebungsperiode (2013–2018).

Großer Dank gebührt meiner Mentorin, PD Dr. Andrea Fleschenberg, für die Ratschläge und die Unterstützung, die ich am ZtG in Berlin erhalten habe. Auch Dr. Gabriele Jähnert, Geschäftsführerin des Zentrums für Transdisziplinäre Geschlechterstudien, stand mir während meiner dortigen Tätigkeit jederzeit zur Seite, wenn ich Fragen hatte oder Hilfe benötigte. Weiterhin gilt mein Dank Amy Visram und Claudia Küster, die mich bei Problemen im Rahmen meiner Arbeit immer unterstützt haben.

Durch meinen Aufenthalt in Berlin hatte ich die Möglichkeit, an mehreren internationalen Seminaren und Konferenzen in Belgien, Ungarn, Paris und Italien teilzunehmen, auf denen ich meine Forschung präsentierte. Dies war eine fantastische Gelegenheit, aus den Erfahrungen anderer zu lernen. Aus dem Kurzzeitstipendium hat sich eine starke wissenschaftliche Zusammenarbeit für die Zukunft ergeben.

In meiner Zeit in Berlin habe ich viel über die deutsche Kultur erfahren. Vor allem zwei Ereignisse haben nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen. Das erste spielte sich während einer Konferenz an der Universität Kassel ab, an der ich teilnahm. In einer Sitzung sah ich eine Frau, die ihr Baby im Schoß hielt. Dieses Erlebnis war sprichwörtlich „bewusstseinsverändernd“ und zeigte mir, wie flexibel und angenehm das Studium an deutschen Hochschulen ist. In der Bildungskultur meines Heimatlandes wäre es unvorstellbar, dass eine Mutter ihr Kind zu einer internationalen Konferenz mitbringen würde. Das Erlebnis veranschaulicht, wie wichtig Flexibilität ist, denn sie macht aus einer langweiligen eine freudvolle Lernerfahrung.

Das zweite Erlebnis betrifft eine ältere Dame, die ich jeden Tag auf dem Weg ins Büro sah. Sie saß immer auf dem Boden direkt unter einer Brücke. Trotz strenger Kälte ließ sie sich nicht davon abhalten, in eine Decke eingewickelt ein Buch zu lesen. Diese rege Lesekultur in Deutschland war ein unvergesslicher Eindruck.

Muhammad Collage Baby Obdachlose

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links: Mutter mit Baby auf einer Konferenz in Kassel; rechts: Obdachlose Frau liest

Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine gingen in Berlins Mitte Tausende Menschen auf die Straßen, was international viel Aufmerksamkeit erregte. An den Demonstrationen beteiligten sich praktisch alle Altersgruppen, darunter auch viele Familien mit kleinen Kindern. Dies war ein klares Zeichen für die Abneigung der Deutschen gegenüber Krieg und ihre Hingabe an den Frieden.

Die öffentlichen Verkehrssysteme in Deutschland sind im Großen und Ganzen ausgezeichnet, und ich gratuliere der deutschen Regierung zu der innovativen Idee, den steigenden Ölpreisen einen neuen Tarif in Höhe von neun Euro entgegenzusetzen. Mit diesem sogenannten 9-Euro-Ticket (Anm. d. Red.: https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/faq-9-euro-ticket-2028756) konnten Fahrgäste für nur neun Euro im Monat alle lokalen und regionalen Züge und Busse im ganzen Land nutzen. Das Angebot erstreckte sich auf Juni, Juli und August 2022 und wurde in Erwartung einer weltweiten Energiekrise 2021/22 vorbereitet. Aus meiner Sicht ist es ein gutes Beispiel für das Paradigma eines Wohlfahrtsstaates.

Die größte Herausforderung bei meinem Umzug nach Berlin war die Wohnungssuche. Um ganz ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung, warum das so ist, aber aus Gesprächen mit vielen Einheimischen schließe ich, dass die Hauptursache für den Wohnungsmangel der kontinuierliche Bevölkerungszuwachs Berlins ist (Anm. d. Red.: zu dieser Zeit vor allem auch durch Geflüchtete). Meiner Erfahrung nach kann eine asiatische Herkunft die Wohnungssuche in Berlin ebenfalls erschweren. Ich musste meinen Wohnort mehrfach wechseln, wodurch ich Menschen aus allen Schichten und Berufen kennenlernte. Ein Höhepunkt meiner Zeit in Deutschland war eine Wohngemeinschaft mit zwei deutschen Frauen, darunter eine Journalistin, die sich für pakistanische Kultur und Politik interessiert. Mit ihr habe ich beim Kaffee in der Küche viele angeregte Diskussionen geführt. Ich bin sehr froh darüber, dass wir diese Beziehung aufrechterhalten können. Außerdem teilte ich meine Wohnung mit einer Philosophie- und Deutschlehrerin, die über die missliche Lage pakistanischer Frauen sehr besorgt war. Sie schenkte mir sogar ein Buch. In Pakistan ist ein solcher Lebensstil einfach undenkbar. Dabei könnte diese Art des Zusammenlebens Ausländerinnen und Ausländern die gesellschaftlichen und kulturellen Normen Deutschlands näherbringen und langlebige Freundschaften begründen.

Eine bewundernswerte soziale Norm in Deutschland ist, dass Männer und Frauen die Hausarbeit zu gleichen Teilen übernehmen, auch das Kochen und Putzen. Nach meinem sechsmonatigen Aufenthalt in Berlin bin ich nun in der Lage, neben der Unterstützung meiner Familie für mich selbst zu kochen und mein Zimmer zu reinigen. Für mich als Mann aus einer südasiatischen Gesellschaft ist das eine wesentliche Veränderung, denn wir verlassen uns beim Hausputz und beim Kochen auf unsere weiblichen Familienmitglieder.

Muhammad Büro

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Herr Muhammad in seinem Büro

Das Leben in Berlin war für mich nicht einfach, da ich mich sehr einsam fühlte. Allein zu leben und zufrieden zu sein, ist vielleicht die wertvollste Lektion, die man in Berlin lernen kann. Dabei geht es nicht nur um das Gefühl von Einsamkeit und Heimweh, sondern auch darum, seine Zeit effektiv zu nutzen. Da die Stadt und die Universität in den ersten beiden Monaten meines Aufenthalts Corona-Beschränkungen unterlagen, verbrachte ich viel Zeit allein. Immer wenn ich den Kopf frei bekommen, mich entspannen oder negative Gefühle loswerden wollte, ging ich in der Stadt eine Runde spazieren oder joggen.

Am Ende meines Stipendiums konnte ich eine Beförderung zum Associate Professor erreichen. Es ist der Gipfel meiner akademischen Laufbahn und die Erfüllung eines lebenslangen Traums für jeden, der in der Forschung tätig ist.

Während meiner Zeit am ZtG wurde ein Vorschlag für einen Fachartikel mit dem Arbeitstitel „Asian Women Parliamentarians Swimming against the Tides of Political Ruptures, (Post-) Conflict, and Authoritarianisms“ (Weibliche Parlamentsabgeordnete in Asien schwimmen gegen den Strom von politischen Umbrüchen, [Post-]Konflikten und autoritären Tendenzen) entwickelt. Nachdem ich einen Vorschlag für meine Rolle als Gastlektor neben PD Dr. Andrea Fleschenberg und Ella Prihatini, PhD, Dozentin an der Binus University in Indonesien, erarbeitet habe, beabsichtige ich, im Sommer nach Berlin zurückzukehren, um diese Aufgabe zu beenden. Der Artikel wird den bisherigen Wissensstand zur politischen Repräsentation von Frauen in Asien bereichern.

Meine Forschung wäre ohne die großzügige Unterstützung durch die Familie von Herrn Huber nicht möglich gewesen. Daher wollte ich die Familie Huber besuchen, um mich persönlich zu bedanken, was mir aber leider nicht möglich war. Dafür danke ich Stefanie Lohmann von der DAAD-Stiftung, die der Familie ein Geschenk zukommen ließ, das ich aus Pakistan mitgebracht hatte. Ich bin der Familie Huber zu großem Dank verpflichtet, da sie mir die finanzielle Unterstützung gewährt hat, um meinen Aufenthalt an der Humboldt-Universität zu Berlin zu ermöglichen.

In der Zeitschrift "International Quarterly for Asian Studies (IAQ)" findet sich eine Buchbesprechung von Herrn Sher Muhammad zum von Devin K. Joshi und Christian Echle herausgegebenen Band Substantive Representation of Women in Asian Parliaments.

Anm. d. Red.: Es ehrt die DAAD-Stiftung, dass einer ihrer Stipendiaten mit einem solch bemerkenswerten Forschungsbereich uns einen derart individuellen Blick in seine wissenschaftlichen und persönlichen Eindrücke ermöglicht.

Stand: Dezember 2022. Die englische Version ist das Original.