Leonie Eberhardt

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Das zentrale Hauptgebäude des University College Cork

"Was ich aus meiner Zeit am UCC mitnehme sind viele schöne Erlebnisse und Erfahrungen, immer noch bestehende Freundschaften sowie die Gewissheit, dass ich sicherlich wieder nach Cork zurückkehren werde."

Leonie Eberhardt wagte sich aus ihrer Studentenstadt München für ein Jahr in die eher kleinere irische Stadt Cork, in der sie eine Vielzahl an neuen akademischen und persönlichen Erfahrungen machen durfte. Dies wurde ihr durch ein Stipendium der Alexander Spohn-Stiftung durch die DAAD-Stiftung ermöglicht.

Hier erzählt sie von ihrer Zeit in Cork:

Um meinem Bachelorstudium der Geographie einen noch vielfältigeren Rahmen zu geben als es ohnehin schon besitzt, war es mir sehr wichtig einen Teil davon im Ausland zu verbringen. Dank der finanziellen Unterstützung der Alexander Spohn-Stiftung in Kooperation mit der DAAD-Stiftung bot sich mir die Möglichkeit, mein 5. und 6. Semester am University College Cork zu verbringen und die „grüne Insel“ Irland zu erkunden.

Cork stellt als kleine Großstadt mit rund 200.000 Einwohnern einen deutlichen Gegensatz zu meiner deutschen Studentenstadt München dar. Trotzdem hatte ich keine Schwierigkeiten, mich in meiner neuen Heimat einzuleben und fand mich schnell zurecht. Das University College Cork ist eine von zwei großen Universitäten in Cork City und stellt mit seinem weitläufigen Campus im Herzen der Stadt die Rolle der Studierenden klar heraus – sie machen knapp 25% der Bevölkerung aus.

Mit meinem Aufenthalt in Irland habe ich mich bewusst der Herausforderung gestellt, in einem Land zu studieren, dessen Vielzahl von verschiedenen Dialekten der englischen Sprache häufig als unverständlich angesehen wird – und das sogar von Iren selbst, die auch immer wieder Verständnisprobleme in der Kommunikation mit Iren aus anderen Counties haben. Da ich in Cork mit fünf Iren und einer Engländerin zusammenlebte, gewöhnte ich mich jedoch schnell an unterschiedliche Dialekte und Eigenheiten der Sprache. Neben dem Englischen gibt es in Irland jedoch auch noch eine zweite Amtssprache: Irisch, das im deutschen Sprachgebrauch häufig auch als Gälisch bezeichnet wird. Irisch ist auf der grünen Insel leider immer weniger verbreitet, wird aber durch ständige Bemühungen vieler Bürger weiter am Leben gehalten. In einem Sprachkurs am UCC durfte ich gemeinsam mit anderen Internationals die Grundzüge dieser alten Sprache erlernen, was mir gemeinsam mit anderen Kursen zur irischen Geschichte und Kultur einen unglaublich wertvollen Einblick in die irische Kultur verschafft hat.

Das Lehrangebot am UCC ist sehr vielfältig, und ich belegte eine bunte Mischung aus den oben genannten Kursen sowie Kriminologie in Verbindung mit Stadtentwicklung und Diversität in der Stadtgeographie, Stadtplanung und nachhaltiger Entwicklung. Im Unterschied zu den Prüfungsformen meiner Heimatuniversität waren hier beinahe ausschließlich Essays gefordert. Das war für mich eine tolle und lehrreiche Möglichkeit, die Kursinhalte zu einem spezifischen Thema zu vertiefen, viel selbständig über den Inhalt der Vorlesungen und Seminare hinaus zu lernen und mich im wissenschaftlichen Arbeiten weiterzuentwickeln.

Eberhardt Brücke Uni

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links: Der River Lee in Cork City; rechts: Der Rasen des "Quad" auf dem UCC-Campus, der erst nach Studienabschluss betreten werden darf

Auch im methodischen Arbeiten durfte ich einige Erfahrungen und praktische Kenntnisse – sowohl in der physischen als auch in der Anthropogeographie – mitnehmen, die mir an meiner Heimatuniversität aufgrund der Pandemielage bislang verwehrt blieben. Die theoretischen Inhalte um praktische Erfahrungen zu ergänzen, stellt im Geographiestudium einen elementaren Bestandteil dar, den ich in meinem Auslandsaufenthalt deutlich vertiefen konnte. Insgesamt lebten viele Kurse von der Interaktion im „Feld“ (für Geographen alles, was nicht den Hörsaal darstellt, also sowohl Moorgebiete, Einkaufszentren, wie auch Wohngebiete) und die theoretischen Inhalte wurden oft in Field Walks in der Praxis beobachtet.

Die Seminare sind deutlich interaktiver als ich das aus Deutschland gewohnt war und leben vom Dialog zwischen Studierenden und Dozierenden. In fast allen meiner Kurse waren auch regelmäßig Expert:innen eingeladen, die uns näher in die praktische Umsetzung der Kursinhalte einführen konnten. Meine Kurse ergänzten sich auch sehr gut; so lernte ich beispielsweise in einem Kurs die Einflüsse der irischen Geschichte der vergangenen Jahrhunderte auf die Stadtentwicklung Corks bis zum heutigen Tage und in einem anderen Kurs Konzepte der nachhaltigen Raumplanung anhand konkreter Beispiele und räumliche Implikationen der Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit Land Management kennen.

Ein Kurs, in dem ich mich recht weit aus meinem üblichen Umfeld der Geographie hinauswagte, war das Kriminologie-Modul „Crime, Urbanization and Cities“. Ein eher ungewohntes Feld, sowohl für die irischen Kriminologie- und Soziologiestudierenden als auch für mich, doch die unterschiedlichen Ansätze der Fachdisziplinen ergänzten sich hervorragend und bildeten spannende Konsense. In einem Essay beschäftigte ich mich mit planerischen Maßnahmen (wie der Anlage von Wohngebieten mit Sackgassen, wenigen Durchgangsstraßen und dadurch erhöhter sozialer Kontrolle) und deren potenziellem Einfluss auf die Entwicklung der Kriminalität im Rahmen von Raubüberfällen. Wieder etwas näher an meinen gewohnten Studieninhalten beschäftigte ich mich in einem anderen Modul mit dem städtischen Miteinander in der Sozialgeographie und Inklusion und Ausgrenzung anhand von Faktoren wie körperlicher und geistiger Einschränkungen, Geschlecht, Ethnizität, Religion oder (Hyper-) Sensibilität. Insgesamt konnte ich eine große Menge an Input mitnehmen, die mir bei der Wahl meines Bachelorarbeitsthemas oder meines Masterstudienganges Perspektiven aufzeigen, die mir zuvor unbekannt waren. So habe ich für mein weiteres Studium viele fachfremde Erfahrungen und interdisziplinäres Wissen aus Nischenbereichen der Geographie mitgenommen, das mich auch in meiner weiteren akademischen Laufbahn beeinflussen wird.

Eines der für mich prägendsten Erlebnisse war der Aufenthalt im Gaeltacht na nDéise im County Waterford im Rahmen einer meiner Kurse. Ein Gaeltacht ist ein Gebiet, in dem die irische Sprache noch auf einer täglichen Basis als Alltagssprache verwendet wird; auch wird sie hier im kleinen Örtchen An Rinn in einem Internat als Unterrichtssprache genutzt. In ebendiesem Internat verbrachte ich mit einer kleinen Gruppe von rund 15 Internationals vier Tage, in denen wir traditionelle irische Musik, Tanz, Sprache und Sport wie den Nationalsport Irlands – Hurling – selbst erfahren durften. Besonders durch diese unbezahlbaren Erlebnisse fühle ich mich Irland noch ein großes Stück mehr verbunden und habe das Land und seine Leute lieb gewonnen.

Eberhardt Klippen

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Die 600 Meter hohen Klippen von Sliabh Liag

Das irische Universitätssystem ist dem britischen sehr ähnlich, sodass am UCC das studentische Leben eng an die Universität angebunden ist und viele Angebote bestehen, auch außerhalb des akademischen Rahmens aktiv zu werden. Zu Beginn eines jeden Semesters findet der „Clubs and Societies Day“ statt, an dem die riesige Bandbreite an sportlichen und gesellschaftlichen Aktivitäten vorgestellt wird. Ich engagierte mich im Komitee der International Development Society, wodurch ich auch für mein Studium viele interessante Anreize in Vorträgen und gemeinsamen Projekten mitgenommen habe. Die Environmental Society organisierte viele Events in der Stadt wie etwa litter picking oder Pflanzaktionen in den Community Gardens des UCC, bei denen es leicht war, neue Freundschaften zu schließen oder zu festigen. Außerdem bot sich mir sportlich die Möglichkeit, das Kajaken als neues Hobby auszumachen oder mit dem Mountaineering Club viele tolle Wanderungen in ganz Südirland zu unternehmen.

Hier wie auch in der Zusammenarbeit in verschiedenen Unikursen habe ich mich auch mit irischen Studierenden angefreundet, allerdings war mein Freundeskreis ansonsten durch eine bunt gemischte Zusammensetzung der verschiedensten Nationalitäten geprägt. Der kulturelle Austausch hat mir in vielen gesellschaftlichen und politischen Themen die Augen geöffnet und mir verschiedene Ansatzpunkte aus aller Welt gezeigt. Gemeinsam gingen wir etwa in Pubs und tanzten zu traditioneller irischer Musik (für viele Iren eine doch recht häufige Beschäftigung), besuchten Museen und alte Burgruinen, unternahmen Radtouren, gingen Winterschwimmen im gefühlt 0°C kalten Atlantik und machten Ausflüge in ganz Irland.

Da Irland zwar über ein miserables Zugnetz, dafür über gute Fernbusverbindungen verfügt, mit denen man die meisten Ecken des Landes erkunden kann, unternahmen wir am Wochenende viele Ausflüge. Allein die Counties im Süden des Landes bieten genügend landschaftliche Anreize, sich hier mehrere Monate aufzuhalten. Doch auch der Rest des Landes, von der Westküste mit Galway und der Region Connemara über Sligo und Donegal im hohen Norden sowie das Landesinnere und „The Ancient East“ blieben nicht unerkundet. Nach der Abgabe meiner Studienleistungen am Ende des zweiten Semesters hatte ich sogar noch Gelegenheit mit Familie und Freunden aus Deutschland per Bus und Fähre je eine einwöchige Reise nach Schottland und Wales zu unternehmen.

Ich durfte in meinem Auslandsaufenthalt eine unfassbar tolle Zeit erleben, die ich nicht missen möchte! „The Rebel City“ Cork habe ich von Beginn an in mein Herz geschlossen, sodass es mir schwergefallen ist, all dies nach einem knappen Jahr wieder hinter mir zu lassen. Was ich aus meiner Zeit am UCC mitnehme sind viele schöne Erlebnisse und Erfahrungen, immer noch bestehende Freundschaften sowie die Gewissheit, dass ich sicherlich wieder nach Cork zurückkehren werde. Ich möchte mich sehr herzlich bei der Alexander Spohn-Stiftung und der DAAD-Stiftung für die großartige Unterstützung und Förderung bedanken, ohne die mein Auslandsaufenthalt nicht möglich gewesen wäre!

Stand: Dezember 2022.