Yero Samuel Ndiaye

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Der abendliche Blick auf der Radstrecke zur Uni

"Für mich war es von besonderer Bedeutung, dass ich die Möglichkeit hatte, eine solche Erfahrung, wissenschaftlicher und interkultureller Art, im Vereinigten Königreich zu machen. Ich bedanke mich ganz herzlich bei der DAAD-Stiftung und Herrn Piermont als Spender für die großartige Chance."

Mit der Unterstützung des Piermont Stipendiums der DAAD-Stiftung konnte Yero Samuel Ndiaye ein Jahr lang Statistik an der London School of Economics studieren.

In einem Bericht erzählt er von seinen vielfäligen Erfahrungen in England:

Spätestens seit Mitte meines Bachelorstudiums war mir klar, dass ich unbedingt Statistik an der London School of Economics and Political Science (LSE) studieren wollte. Die LSE ist exzellent vernetzt, führend in der Forschung und Lehre im Bereich der Sozialwissenschaften. Zu ihrer beeindruckenden Liste an Studierenden-Alumni zählen unter anderem der ehemalige kolumbische Präsident und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santas, Investor George Soros, Bankier David Rockefeller und der ehemalige kanadische Premierminister Pierre Trudeau. Außerdem begeistert mich an der LSE ihre Internationalität. Insgesamt hat die LSE Studierende aus 148 Nationen, die über 100 verschiedene Sprachen sprechen. Davon kommen rund 70% von außerhalb der EU und rund 85% von außerhalb des Vereinigten Königreichs, was sie zu einer der internationalsten Universitäten der Welt macht.

Zudem faszinierte mich die Möglichkeit, in der Weltmetropole und Boxhochburg London die kulinarische und kulturelle Vielfalt zu nutzen, neue Interessen zu entwickeln und weiter Kickboxen als Leistungssport zu betreiben.

Nachdem meine Bewerbungen an der LSE und für ein Stipendium erfolgreich waren, wollte ich im September nach London ziehen. Der Wohnmarkt in London ist sehr kompetitiv, was die Wohnungssuche erschwerte. Außerdem bestätigte sich meine Befürchtung, dass die Miete den Großteil meiner Stipendienrate verschlang.

Nach langer Suche entschied ich mich für das Studierendenwohnheim Sidney Webb House (SWH) der LSE in Southwark südöstlich der Themse, rund 30 Minuten Fußweg von Westminster entfernt.

Im Laufe des Jahres wurde ich immer zufriedener mit meiner Wahl. 400 Studierende in Sidney Webb bedeuten, dass ich das Jahr über immer neue interessante Menschen kennenlernen konnte. Im Gemeinschaftsraum, der mit einem Filmraum, einer Playstation 3, Sportgeräten, Tischtennisplatten und Sofas ausgestattet war, ergaben sich viele Feiern, Spiel- und Filmabende sowie Nächte endloser Diskussion, die mich bereicherten.

Ndiaye Mercato

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Mit WG-Mitbewohnern im Mercato Metropolitano

Innerhalb des SWH wohnte ich in einer Achter-Flat mit Mitbewohnern aus Paraguay, Norwegen, Iran, Indien, China und dem Vereinigten Königreich zusammen, die eine bunte Kombination aus Human Rights, Social Policy bis hin zu Economics and Finance studierten. Das führte dazu, dass wir in der Küche oft gemeinsam kochten und aßen und dabei interessante Geschichten austauchten, Tagespolitik oder größere politische und philosophische Fragen diskutierten.

Nach zwei Wochen des Einlebens in London begann für mich der Unterricht an der LSE. Für den Weg hatte ich mir trotz vieler Warnungen vor dem Londoner Verkehr letztendlich doch ein Fahrrad gekauft, um die überfüllte Tube oder den Bus morgens und abends zu vermeiden. Dies stellte sich als wahrer Glücksgriff heraus, da mich die Fahrt zur LSE in Holborn nahe dem Herzen Londons täglich durch schöne Wohngegenden und über die Waterloo Bridge mit Blick auf das London Eye, den Big Ben und das Financial District führte.

In der ersten Woche veranstaltet die LSE interessante Treffen zum Kennenlernen inklusive eines Abends auf einem Schiff auf der Themse. Die überschaubare Größe des Kurses und des Department of Statistics führt dazu, dass ich im Gegensatz zu meinem Studium an der Universität zu Köln Zeit hatte, mich mit nahezu allen meinen Kommilitonen zu unterhalten. Trotz der relativ geringen Anzahl an Studierenden ist das Department of Statistics repräsentativ für die Diversität der LSE.

Zudem beindruckten mich die bisherigen Vitae meiner Kommilitonen. Schnell fand ich eine Gruppe engerer Freunde, mit der ich das Jahr über viel erlebte. Zusammen hatten wir viele harte Tage beim Lernen in der Bibliothek, aber auch viele schöne Abende, an denen wir Halloween feierten, zum Winterball oder in eine Salsa-Bar gingen.

Ndiaye Winterball

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Mit Freunden aus dem Statistik-Kurs beim Winter Ball der LSE

In der ersten Woche gab es auch allgemeine Information zum Ablauf des Studiums. Das akademische Jahr ist im Vereinigten Königreich in drei Trimester geteilt. Mit Ausnahme des Grundkurses wurden alle Fächer, inklusiver der Fächer, die im ersten Trimester unterrichtet wurden, erst im dritten Trimester geprüft. Dies stellt mich vor eine neue Herausforderung, Lernen und Klausurvorbereitung über einen längeren Zeitraum zu verteilen.

Neben meinem Grundkurs (Statistical Inference: Principles, Methods and Estimation) belegte ich unter anderem Kurse, die sich mit maschinellem Lernen, Longitudinalstudien und der Analyse sozialer Netzwerke befassten. Die Arbeitslast war mit wöchentlichen Hausaufgaben, die teilweise die Hälfte der Abschlusswertung darstellten, hoch. Außerdem gab es in den meisten Fächern Gruppen- oder Einzelprojekte, die gegen Ende des jeweiligen Trimesters eingereicht werden mussten, weswegen es im Verlaufe des Jahres kaum möglich war, ein bisschen zur Ruhe zu kommen.

Ein massiver Vorzug neben dieser hohen Produktivität ist die individuelle Betreuung und kleine Gruppengröße an der LSE. Die Tutorien, in denen die erlernten Methoden meistens an echten Datensätzen angewandt wurden, waren stark personalisiert und herausfordernd und dadurch extrem lehrreich. In diesem Umfeld konnte ich immer wieder massive Erkenntnisgewinne erzielen und ich kann sagen, dass das Jahr an der LSE mit Abstand das lehrreichste Jahr meines bisherigen Lebens war.

Die LSE hat außerdem über 220 Societies - von Bienenhaltung über Oper bis zur Venture Capital - in denen sich die Studierenden organisieren. Ich trat der Box-Society bei, die mir neben einem angenehmen Trainingsumfeld auch die Möglichkeit bot, Freundschaften mit Leuten aus anderen Studiengängen und vor allem Bachelorstudierenden zu schließen.

Zudem meldete ich mich beim Islingtion Boxing Club an, einem erfolgreichen Amateurboxverein im Norden Londons. Die Lage des Clubs sorgte dafür, dass ich täglich viel des nördlichen Londons sah und mit den Mitgliedern des Clubs auch mehr „typische“ Londoner kennenlernen konnte. Das hohe Niveau der Sportler und Trainer im Verein erlaubte mir, mich gut vorzubereiten und im März 2020 den Irish Open Kickboxing World Cup in Dublin zu gewinnen.

Ndiaye Kickboxing

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Viertelfinalkampf beim Irish Open Kickboxing World Cup im City West Hotel in Dublin, Ireland

Aufgrund des Ausbruchs von COVID-19 schloss die LSE und ab dem 23. März 2020 wurde der gesamte Unterricht Online durchgeführt. Angesichts der Umstände entschied ich mich dann, nach Absprache mit den Verantwortlichen der DAAD-Stiftung und des DAAD e.V., Ende März nach Deutschland zurückzukehren und von Köln aus am Online-Unterricht teilzunehmen. Der Uni gelang es, den Übergang zum Online-Unterricht reibungslos zu gestalten. Ab April begann für mich dann die Vorbereitung auf die angesetzten Online-Klausuren und den Abschluss der Projekte. Diese isolierte Lernerfahrung war für mich oft sehr herausfordernd, aber durch häufiges Telefonieren mit meinen Kommilitonen war es doch gut zu bewältigen.

Rückblickend war das (Fast-)Jahr an der LSE trotz der Verkürzung durch COVID-19 eine der spannendsten Erfahrungen meines Lebens. Ich konnte sehr verschiedene interessante, kluge und nette Menschen aus aller Welt als Freunde gewinnen. Durch das Boxtraining konnte ich meiner zweiten Leidenschaft weiter nachgehen und Teile Londons kennenlernen, die vielen anderen Studierenden in der Stadt sonst verborgen bleiben. Die LSE hat mich intellektuell sowie vom Arbeitsumfang dazu gebracht, über meine Grenzen zu gehen und so eine starke Wissenszunahme innerhalb eines Jahres zu erreichen.

Für mich war es von besonderer Bedeutung, dass ich die Möglichkeit hatte, eine solche Erfahrung, wissenschaftlicher und interkultureller Art, im Vereinigten Königreich zu machen. Ich bedanke mich ganz herzlich bei der DAAD-Stiftung und Herrn Piermont als Spender für die großartige Chance und sehr gute Unterstützung, die mir diese Erfahrungen ermöglichten. Ich möchte mich gesondert auch für ein persönliches Gespräch mit Herrn Piermont bedanken, das mir geholfen hat, meine Karriereplanung nach Abschluss des Masters zu konkretisieren.

Stand: Juli 2020.