No (e)scape

„No (e)scape? – Towards a Relational Archaeology of Man, Nature, and Thing in the Aegean Bronze Age“ - eine Konferenz an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg

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"Wir bedanken uns natürlich recht herzlich bei der DAAD-Stiftung für die finanzielle Unterstützung unserer Konferenz. Dank dieser Förderung war es uns möglich, jungen Nachwuchswissenschaftlern die Möglichkeit zu geben, ihre Forschung zu präsentieren und dabei wichtige Fähigkeiten für das spätere Berufsleben eines Archäologen zu erproben."

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Im Frühjahr 2018 fand an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg die Konferenz "No (e)Scape? - A Relational Achaeology of Man, Nature and Thing" statt, im Rahmen dessen sich internationale Studierende mit archäologischen Befunden auseinander setzten, indem sie aktuelle Theorien der Nachbardisziplinen (wie z.B. der Ethnologie und Kulturanthropologie) anwandten.

Im Folgenden berichtet das Organisationskommitee über die dreitägige Veranstaltung:

Die Idee, eine Konferenz zu einem Thema der ägäischen Bronzezeit auf die Beine zu stellen, kursierte bereits geraume Zeit in studentischen Kreisen unseres Instituts. Viel zu selten bekommt man als Student doch die Möglichkeit, eigene Gedanken der Forschungswelt zu präsentieren und mit Personen außerhalb der eigenen Universität in Kontakt zu treten. Zusätzlich fanden wir, dass die Präsentation eines Papers auf einer Konferenz für viele einen wichtigen Bestandteil des zukünftigen Berufslebens darstellt und daher schon während des Studiums, außerhalb der „Komfortzone“ eines Seminars, erprobt werden sollte. Diese Überlegungen riefen ein Projekt ins Leben, das schließlich am 23. bis 25. März 2018 von uns Master Studenten des Instituts für Klassische Archäologie an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg als eine studentische Initiative realisiert wurde.

Unsere Konferenz mit dem Titel „No (e)scape? – Towards a Relational Archaeology of Man, Nature, and Thing in the Aegean Bronze Age“ sollte eine Möglichkeit für internationale Master Studenten und Doktoranten schaffen, die ägäische Bronzezeit aus einer Perspektive zu betrachten, die sich nicht nur auf den menschlichen Akteur konzentriert, sondern dabei auch multiple Einflüsse der Umwelt auf das menschliche Handeln und (Er-) Leben untersucht. Den theoretischen Rahmen der Veranstaltung bildete das Konzept der relationalen Archäologie. Diese Theorie diente uns als heuristischer Ansatz, die Prozesse zu identifizieren, die sich um Menschen, Landschaften, Tiere und Objekte entwickeln, welche alle durch räumliche und zeitliche Verknüpfungen miteinander verbunden sind. Das große Potential dieses theoretischen Ansatzes führte zu vielen PaperBewerbungen, aus denen schlussendlich insgesamt 24 Beiträge von Nachwuchswissenschaftlern aus 17 unterschiedlichen Universitäten in Europa und Nordamerika zustande kamen. Während der drei KonferenzTage wurden verschiedene Knotenpunkte in der ägäischen Bronzezeit, wie z.B. Objekte, gebaute und natürliche Umgebungen, Ressourcen und menschlicher Einfallsreichtum unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet.

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Freitag, den 23.03.2018

Nach der Begrüßung durch uns als Organisationskomitee und der Willkommensrede des Direktors des Instituts für Klassische Archäologie der Universität Heidelberg, Prof. Dr. Diamantis Panagiotopoulos, folgte die erste Sektion der Konferenz mit dem Titel „Of Man and Thing“. Die Vortragenden in dieser Sitzung zeigten anhand ihrer Fallstudien über die Beziehungen zwischen Mensch und Objekt, dass zwischen diesen und der menschlichen Umwelt eine Vielzahl von wechselseitigen Beziehungen bestehen. So bewies Alexander Aston (Oxford), dass Objekte, wie beispielsweise Kykladenidole, das Potential haben, Aufmerksamkeitsempfindungen zu unterstützen und zu motivieren, sowie die soziale Kognition zu beeinflussen.

Dora Olah (Sheffield) hingegen zeigte, dass dieselben Figuren auch als "Geschichtenerzähler" menschlicher Verbindungen und Interaktionen angesehen werden können. Diese starke Einflussnahme des Menschen in prähistorischen sozialen Dimensionen wurde auch anhand des Fallbeispiels der sogen. „talismanischen“ Siegel in der Präsentation von Barbara Morda (Kent) deutlich. Doch nicht nur die bronzezeitliche Gesellschaft hatte Einfluss auf die Interaktion von „Mensch und Ding“, auch die moderne Wissenschaft mit ihrem Diskurs trägt zur Veränderung der Wahrnehmung dieser Kategorien bei, wie Angelika Hudler (Wien) im Falle der Gemma Dubitandae gezeigt hat. Den Abschluss des Tages bildete die Rede von Gastredner Prof. Dr. Georgos Vavouranakis von der Universität Athen. In seiner Präsentation thematisierte er die Entwicklung und Methoden der relationalen Archäologie und setzte sich kritisch mit den Chancen und Grenzen dieses Ansatzes auseinander.

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Samstag, den 24.03.2018

Der zweite Tag begann mit der Sektion „Live and Let Leave“ und bestand aus einer breiten Palette von Methoden und einem ebenso breiten Spektrum von Forschungsthemen. Die erste Präsentation der Sektion von Angela Ratigan (Heidelberg) informierte über die Möglichkeit des Studiums der gebauten Umwelt durch die digitale Rekonstruktion von Gebäudekomplexen. Die archäologischen Befunde liefern Anhaltspunkte und Informationen für eine solche virtuelle Rekonstruktion, die hilft, die Funktionalität einer gebauten Umgebung zu verstehen.

Ein anderer Ansatz zu Erschließung der Funktionalität von Gebäuden wurde von Piotr Zeman (Poznań) vorgestellt. Mithilfe des theoretischen Konstrukts der Verschränkungstheorie unternahm er den Versuch, die Siedlungsnetzwerke der Unterstädte von fünf mykenischen Palästen zu entschlüsseln. Als weitere Bereiche des sozialen Lebens, die bedeutende Informationen über die Interaktion zwischen Mensch und Umwelt liefern, lag der Schwerpunkt der beiden darauffolgenden Vorträgen im bronzezeitlichen Bestattungskontext. So stellte Alexandra Vouza (Groningen) eine Fallstudie über Asine vor, wo sie die Kammergräber als handelnde Agenten einer dialektischen Beziehung zwischen Menschen und Landschaft untersuchte. Eine andere Fallstudie, präsentiert von Yannis Chatzikonstantinou (Thessaloniki), untersuchte die Bestattungstradition in Makedonien, um die Entstehung von sozialen Identitäten auf der Basis der Bestattungspraxis in der spätbronzezeitlichen Gesellschaft in Nordgriechenland zu rekonstruieren.

Die letzten beiden Präsentationen wandten sich den maritimen Aktivitäten zu, die als ein essentieller Bestandteil der bronzezeitlichen Kultur in der Ägäis gelten. Ausgangspunkt der Präsentation von Mia Marijan (Zagreb) war die Insel Vela Palagruža, in der Mitte der Adria. Diese diente als eine Zwischenstation für Seefahrten in der Bronzezeit und der dort gefundene Obsidian aus Melos wird als Indikator für die Mobilität der kykladischen Seeleute diskutiert. Victoria Alliata (Heidelberg) stellte abschließend das Gebiet Apulien in Süditalien vor, das aufgrund der archäologischen Funde einen klaren Einfluss der ägäischen Kultur aufweist und als Knotenpunkt der bronzezeitlichen Seefahrt gedient haben dürfte.

Die nächste Sektion mit dem Titel „Man and Nature. Friend or Foe?“ thematisierte die Natur selbst als allgegenwärtigen Faktor in der ägäischen Bronzezeit. Die Einflüsse der natürlichen Umgebung auf den Menschen können in vielfältigen Ebenen des sozialen Alltags auftreten, wie zum Beispiel in der Ikonographie verschiedener Bildträger und Objekte. So zeigte Vasileios Karaiskos (Athen), dass der Einfluss der Natur auf das menschliche Denken sich in der spätbronzezeitlichen Keramikmalerei in natürlichen Motiven, besonders die der Meereswelt, materialisiert hat, die von verschiedenen sozialen Gruppen im gesamten Mittelmeerraum integriert oder angepasst wurden. Als Gegenpol dazu präsentierte Julia Binnberg (Oxford), dass vogelförmige Gefäße und Vogelfiguren im Umgang mit Flüssigkeiten zum einen als passive Symbole für Ernährung und Wohlstand als Elemente der natürlichen Welt fungieren oder ihre Wirkung in der Interaktion mit dem Menschen in Ritualen, wie Libationen entfalten. Im Anschluss zeigte Filip Franković (Heidelberg) am Fallbeispiel der „Lion Warriors“, wie elitäre Identität formuliert werden konnte, indem Symbole der Macht, wie Waffen, aufwendige Kleidung oder Körperschmuck, oder sogar der gestählte Körper eines Kriegers selbst instrumentalisiert wurden. Der Vortrag von Stylianos Tzirakis (Kreta) demonstrierte, dass nicht nur weltliche Macht, sondern auch religiöse Bedeutung durch Attribute vermittelt werden konnte, wie im Beispiel der Schlangenbilder, die soziale Identitäten und religiöse Überzeugungen umfassen.

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No (e)scape Foyer Buffet
Privat

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Die letzte Sektion des Tages „Society meets Nature“ befasste sich im Speziellen mit der Problematik der Erschließung und der Wahrnehmung von Landschaft. Zu Beginn präsentierten Tatiana Andreovits, Angeliki Kita und Danai Theodoraki (Thessaloniki) den Aspekt der Wildnis Makedoniens im Hinblick auf die Verflechtung von Mensch und Natur. Eine andere Herangehensweise an Siedlungen im bronzezeitlichen Mazedonien wurde von Magda Anthrakidou (Thessaloniki) vorgestellt, die mithilfe GIS-gestützter Untersuchungen die räumliche Organisation von Siedlungen in Bezug auf ihre natürliche Umgebung untersuchte.

Katarzyna Dudlik (Poznań) diskutierte im darauffolgenden Beitrag das Thema der kulturellen Identität, anhand der Insel Kos in der ägäischen Peripherie. Diese Sitzung schloss mit einem Exkurs in die Geologie, die als eigenständiger wissenschaftlicher Zweig durch interdisziplinäre Arbeit neue Einblicke in die Abhängigkeit des Menschen von seiner natürlichen Umgebung gewährte und die Dynamik von menschlichen Reaktionen auf plötzliche Umweltveränderungen anschnitt. Krista Evans (Hawaii) präsentierte im Kontext der relationalen Fragestellung den spätbronzezeitlichen Vulkanausbruch auf Thera und welche Auswirkungen er auf die betroffenen sozialen Gruppen hatten.

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No (e)scape Foyer

Privat
Referenten und Gäste freuen sich gleichermaßen auf den internationalen akademischen Austausch
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Da unsere Sprecher nicht nur die Universität, sondern auch die historische Altstadt Heidelbergs kennenlernen wollten, bot Nasser Ayash zum Abschluss des Konferenztages den Sprechern eine Führung durch die Stadt an. Im Anschluss daran lud das Institut für Klassische Archäologie alle Beteiligten zu einem gemeinsamen Essen im historischen Restaurant „Zum Goldenen Schaf“ ein, wo im Kontext der Darstellungen aus dem Codex Manesse bereits geknüpfte Kontakte weiter vertieft wurden. Die Gelegenheit wurde eifrig genutzt, um sich über den akademischen Rahmens der Konferenz hinaus miteinander vertraut zu machen. Da viele Sprecher aus unterschiedlichen Ländern kamen, bspw. Großbritannien, Griechenland, Kroatien aber auch Nordamerika, war es ein interessanter und bunter Abend mit einer großen Bandbreite an Gesprächsthemen, die sich nicht nur um die Bronzezeit drehten.

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Sonntag, den 25.03.2018

Der letzte Tag der Konferenz begann mit der Sektion „Living Ritual and Landscape“, deren Beiträge auf unterschiedliche Ansätze zu Fragen der Einbettung von Ritualen in die Landschaft und die Wirkung von Landschaften auf die Gestaltung von Ritualen zielten. Rachel Dewan (Toronto) zeigte, dass kretische Miniaturgefäße als Artefakte in Gipfelheiligtümern einen wichtigen Knotenpunkt im relationalen Netzwerk zwischen Landschaften und Adoranten darstellten. Thematisch blieb auch Konstantinos Zikakis (Heidelberg) bei den kretischen Gipfelheiligtümern, indem er zeigte, dass ihre Funktionen auch andernorts erfüllt werden konnten und somit die Landschaft kein unabdingbares Kriterium für diese Heiligtümer war. Den dennoch starken Einfluss der gebirgigen Landschaft besprach Georgia Fakarou (Athen) am Fallbeispiel der „Gottheit mit erhobenen Armen“, die sie als eine Verkörperung der Landschaft minoischer Gipfelheiligtümer interpretierte.

Die darauffolgende Sitzung lief unter der Bezeichnung „The Escape: Think or Act?“. Die vorgestellten Beiträge thematisierten unterschiedliche Möglichkeiten des Menschen, die gegebenen Umweltbedingungen zu überwinden und ihre Umgebung so umzugestalten, dass diese sich den menschlichen Bedürfnissen anpasste. Die Taktiken konnten sehr unterschiedlich sein. Eirini Petridou (Rhodos) untersuchte anhand des „Youth God“ rituelle Bemühungen des Menschen, Naturphänomene zu beschwichtigen. Ein anderer Ansatz wurde von Abhazar Shobairi (Athen) vorgestellt, der die technologischen Bemühungen im Rahmen der Einführung mykenischer Bewässerungssystemen thematisierte. Die letzte Sektion „Exploring Technology and Production“ beinhaltete die Präsentation von Effimia Angeli (Nottingham), die die Entwicklung von Navigationstechniken und Schiffsbau im Zuge der ansteigenden maritimen Aktivität innerhalb des bronzezeitlichen Mittelmeerraumes thematisierte. Den Abschluss der Konferenz bildete die Zusammenfassung der präsentierten Beiträge durch Diana Wolf. Der Großteil der Beiträge wurde per Live-Stream aufgezeichnet und ist über unseren Youtube-Kanal frei zugänglich.

Insgesamt betrachtet diente die Konferenz nicht nur ihrem primär angestrebten akademischen Ziel, sondern entwickelte sich zu einer Plattform des internationalen Austauschs zwischen uns Studenten. Ein Ergebnis dessen ist eine Kooperation mit Studenten des Archäologischen Instituts der Adam Mickiewicz Universität in Poznań, die derzeit eine Fortsetzung des Konferenzformats im kommenden Jahr in Polen vorbereitet. Für die Zukunft wünschen wir uns, dass diese internationale Plattform junger Archäologinnen und Archäologen, wie sie in Heidelberg geschaffen wurde, an wechselnden Universitäten in unterschiedlichen Ländern stattfinden kann. Die überaus positiven Rückmeldungen, die uns diverse Teilnehmer zukommen ließen, sowie die Fortsetzung des Projekts 2019 stimmen positiv für eine solche Entwicklung. Nicht zuletzt muss erwähnt werden, dass die Konferenz nicht rein akademisches „networking“ etablierte, sondern sogar auch auf privater Ebene neue Freundschaften mit sich brachte.

Wir bedanken uns natürlich recht herzlich bei der DAAD-Stiftung für die finanzielle Unterstützung unserer Konferenz. Dank dieser Förderung war es uns möglich, jungen Nachwuchswissenschaftlern die Möglichkeit zu geben, ihre Forschung zu präsentieren und dabei wichtige Fähigkeiten für das spätere Berufsleben eines Archäologen zu erproben. Während der drei Tage konnten neue und kreative Vorschläge zur Erforschung sozialer Gruppen in der spätbronzezeitlichen Ägäis vorgestellt, fruchtbare Diskussionen geführt und internationale Kontakte geknüpft werden. Auch wir als Konferenz Team haben einiges gelernt, angefangen beim Aspekt der Finanzierung, über organisatorische Details, bis hin zur kreativen Problemlösung wenn einmal nicht alles auf Anhieb nach Plan verlief. Im fachlichen Bereich mussten wir uns ebenfalls viel zusätzliches Wissen aneignen, um Beiträge angemessen auswählen und während der Konferenz durch die Vorträge leiten zu können. Neben neuem Wissen über die ägäische Bronzezeit haben wir, wie auch die Teilnehmer, neue Schlüsselkompetenzen für das zukünftige Berufsleben gewonnen. Wir hoffen sehr, dass unsere studentische Initiative für alle Beteiligten eine positive Bereicherung war und eine erfolgreiche Weiterführung der Konferenz 2019 in Polen und hoffentlich auch in kommenden Jahren an anderen Universitäten zur Folge haben wird.

Stand: Herbst 2018. Die deutsche Version ist das Original.