Madeleine Bausch
Privat
Die Facultad de Economía y Negocios der Universidad de Chile
"Ich konnte unglaublich viel lernen – nicht nur für meine empirische Studie, sondern auch persönlich. Alle Menschen, denen ich begegnete, waren unglaublich offen und hilfsbereit. Mein besonderer Dank geht an alle Beteiligten, die es mir ermöglicht haben, diesen wundervollen Aufenthalt durchzuführen und mich so toll weiterzubilden."
Madeleine Bausch ist ein deutsche Doktorandin, die dank des Gustav Schübeck-Stipendiums der DAAD-Stiftung in Chile und Brasilien an ihrer empirischen Studie arbeiten konnte.
In einerm ausführlichen Bericht erzählt sie von ihren akademischen Fortschritten sowie den kulturellen Eindrücken, die sie im Rahmen Ihres Aufenthaltes sammeln konnte:
Dank des Kurzstipendiums der DAAD-Stiftung wurde es mir durch das Gustav Schübeck Stipendium ermöglicht, sieben Wochen in Brasilien und Chile zu verbringen, um einen Forschungs- und Lehraufenthalt im Rahmen meiner Doktorarbeit durchzuführen. In meiner Dissertation beschäftige ich mich mit interkulturellen Transferprozessen von Qualitätsmanagementpraktiken in deutschen Familienunternehmen in Brasilien. Ursprünglich war geplant, die Studie auch in Chile durchzuführen, weshalb ich mich ca. ein halbes Jahr im Voraus mit Professoren der Universidad de Chile in Verbindung setzte, um einen Gastdozentenaufenthalt an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät (facultad de economía y negocios, kurz FEN) zu absolvieren.
In den sieben Wochen, die ich in Lateinamerika vor Ort war, verbrachte ich die ersten drei Wochen in Brasilien, wovon ich jede Woche bei einem anderen Unternehmen forschte: eine Woche in São Paulo, eine in São Leopoldo (im Süden des Landes), und eine in Guaratinguetá (Bundesstaat São Paulo). Insgesamt führte ich über 30 Interviews und sammelte zahlreiche Dokumente für die Datenanalyse. Die folgenden drei Wochen verbrachte ich dann in Santiago de Chile, wo ich durch Einladung von Herrn Prof. Erich Spencer Ruff in drei Kursen der Universidad de Chile jeweils zwei Unterrichtseinheiten als Gastdozentin hielt. Im Anschluss an den Aufenthalt in Chile verbrachte ich weitere neun Tage in Brasilien, da ich für meine empirische Studie Interviews mit dem Personalleiter und dem CEO eines der Unternehmen vereinbaren konnte. Zudem nutzte ich diese letzte Woche, um mich mit Professoren meines Fachbereichs vor Ort in São Paulo zu treffen und zu vernetzen. Diese Kontakte werde ich nun auch nachhaltig pflegen.
Da das Stipendium vor allem den Gastdozentenaufenthalt in Chile förderte, möchte ich darauf nun genauer eingehen.
Chile – ein Land zwischen Meer und Anden
Santiago de Chile vom Cerro San Cristóbal
„En el último lugar del mundo“ – Chile liegt wirklich am Ende der Welt. Eingebettet zwischen Meer und Anden verbrachte ich drei Wochen in Santiago de Chile, der Hauptstadt. Im Tal zwischen der Bergkette der Anden und der Bergkette der Küste erstreckt sich die 6-Millionenstadt – einen besonders schönen Ausblick hat man vom Cerro San Cristóbal, auf den ich gleich nach meiner Ankunft einen kleinen Ausflug machte.
Juli und August sind Wintermonate, und deshalb hatte ich einen wunderschönen Blick auf die schneebedeckten Anden. Leider sieht man diese zumeist nur nach Regenfällen, wenn die Luft rein gewaschen wird von Autoabgasen und Staub. Trotz des Sonnenscheins auf dem Bild war es zu meiner Ankunftszeit noch ziemlich kalt. Ja, auch in Chile wird es kalt, vor allem nachts. Die Häuser sind kaum mit Heizungen ausgestattet, da kann man schnell frieren. Aber immerhin gibt es Heizlüfter und heiße Duschen.
Einen Tag nach meiner Ankunft ging es dann gleich am Montag an der Universität los. Bevor ich von meinem Arbeitsalltag und dem Leben in Chile erzähle, möchte ich zunächst auf die Vorbereitung eingehen.
1. Organisation
Da ich zuvor schon längere Zeit in Chile gelebt habe, wusste ich bereits, wie wichtig persönliche Kontakte und Netzwerke sind. Im Vergleich zu Deutschland reicht es hier nicht aus, nur eine E-Mail zu schreiben, um die Aufmerksamkeit eines Professors zu bekommen. Also sendete ich die E-Mail mehrmals ab und war, als ich im März im Urlaub in Chile war, auch ganz persönlich vor Ort in Santiago, um mich vorzustellen. Die „connection“ war sofort da: Prof. Erich Spencer Ruff arbeitet auch als Gastdozent an verschiedenen Hochschulen in Süddeutschland und ist mit der deutschen Sprache und der Kultur sehr gut vertraut.
Lange Rede, kurzer Sinn: die Herstellung des persönlichen Kontaktes mit den Professoren Prof. Acuña Aguirre und Prof. Spencer Ruff ermöglichte mir sehr schnell, eine Einladung an die Universität zu erhalten. Zu Beginn plante ich, ein ganzes Seminar an der FEN zu geben, was so allerdings nicht umsetzbar war, da an der Universidad de Chile in den Bachelorkursen keine Blockseminare angeboten werden und Masterseminare nur von Dozenten mit Doktortitel gehalten werden dürfen. Organisiert wurde der Aufenthalt dann vor allem von Prof. Erich Spencer Ruff und Stefanie Dacín, einer sehr freundlichen und aufgeschlossenen Dame des Auslandsamtes der Universität.
Prof. Spencer Ruff bot mir schließlich an, mehrere Stunden in drei verschiedenen Kursen an der FEN zu halten. Tatsächlich übernahm ich dann jeweils 2–3 Unterrichtseinheiten in den Kursen Negócios I (unter Leitung von Prof. Erich Spencer Ruff), Intercultural Business Challenges in Latin America (unter Leitung von Verónica Uribe) und International Management (unter Leitung von Gabriela Schulten).
Madeleine Bauschs Kurs „Negócios I“
Wir einigten uns darauf, die Kurse auf Englisch zu halten, da der Wunsch und auch das Ziel der Universität ist, mehr auf Englisch zu lehren. Eine der Stunden in Negócios I hielt ich allerdings auf Spanisch. Zusätzlich zum Unterricht stellte ich am 5. September vor Professoren und Mitarbeitern zudem mein Dissertationsthema, mein Lehrstuhlteam aus Passau und unsere Projekte am Lehrstuhl vor. Hierbei konnte ich schon erste Ergebnisse meiner empirischen Studie aus Brasilien präsentieren und diskutieren.
2. Arbeitsalltag und Lehrerfahrung
Am ersten Tag wurde ich herzlich von Erich (in Chile duzen sich alle) in Empfang genommen. Ganz spannend war zu sehen, dass er dann innerhalb von einer Stunde alles organisierte: Büro, Internetzugang, Kontakt zu anderen Professoren, etc. In der interkulturellen Kommunikation sprechen wir hier von polychronen Kulturen: Kulturen, in denen Menschen mehrere Dinge gleichzeitig erledigen. Deutschland z.B. ist eine monochrone Kultur, bei uns wird eine Sache nach der anderen erledigt.
Am Ende der Stunde wurde mir dann im Auslandsamt ein Büro zur Verfügung gestellt. Die Kollegen Mattias und Natalia waren sehr hilfsbereit und unterstützten mich bei allen Fragen, die ich hatte.
Grundsätzlich verbrachte ich aber nur die Tage, an denen ich Kurs hatte, auch in der Universität. Die Vorbereitung der Kurse machte ich von meiner Unterkunft aus. Der Grund: In Santiago herrscht immer sehr viel Verkehr und auch Smog ist in der Luft. Da versucht man eigentlich, das Haus so wenig wie möglich zu verlassen.
Insgesamt beschreibe ich die Lehrererfahrung in Chile als sehr interessant und bereichernd. Die Klassen sind um einiges größer als in Deutschland (ca. 30–70 Studierende), und die Studierenden sehr heterogen und gemischt aus allen Ländern der Welt mit vielen Austauschstudierenden. Anders als erwartet gestaltete sich der Unterricht sehr partizipativ – die Studierenden diskutierten mit und brachten ihre eigenen Vorschläge und Ideen ein. Dies lag aber auch an meinem Unterrichtsstil mit vielen Diskussionsfragen und Rückfragen an das Publikum.
Auffallend war für mich vor allem die Unterrichtssprache: Auch wenn ich nur einen der Kurse auf Spanisch hielt, nahm ich die spanische Sprache als viel intensiver in der Wissensvermittlung wahr als das Englische. Dies kann, so meine ich, aber auch daran liegen, dass das Englischniveau noch nicht sehr ausgeprägt ist (und mein Spanischniveau besser ist). Die chilenischen Studierenden beteiligten sich zu einem Großteil an den Diskussionen und waren auch hier viel „personenorientierter“. Anfangs hatte ich erwartet, dass chilenische Studierenden eher zurückhaltend seien (Stichpunkt Machtdistanz in der interkulturellen Kommunikation), was ich aber in meiner Erfahrung nun widerlegen kann. Ich würde sofort wieder eine chilenische Klasse auf Spanisch unterrichten!
Madeleine Bausch beim Unterrichten an der Universidad de Chile
Die Arbeitsbedingungen an der FEN bewerte ich insgesamt als sehr gut. Die Professoren und Kollegen begrüßten mich alle sehr herzlich, waren stets damit bemüht, mir einen angenehmen Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und halfen bei jeglicher Fragestellung. Einige Male gingen wir auch gemeinsam zum Mittagessen. Die guten Bedingungen der FEN repräsentieren allerdings nicht den Normalstatus des Landes: Als private Universität verfügt die Universidad de Chile (und vor allem die wirtschaftswissenschaftliche Fakultät) über einige Fördermittel aus der Wirtschaft und kann dementsprechend gute Lehre unterstützen. Dies merkte man v.a. an den modern ausgestatteten Seminarräumen (meist mit zwei Leinwänden, Beamern und eigenem PC), sowie an dem modernen Gebäude. Einzig die Lage der Universität war etwas ungünstig: Mitten im Zentrum ist man umgeben von Lärm und Smog, der vor allem jetzt in den Wintermonaten Juli und August sehr stark war. Aber wie in jeder Großstadt Lateinamerikas ist dies leider nicht zu vermeiden.
3. Wohnen, Leben und Freizeit
Aus pragmatischen Gründen suchte ich mir vorerst ein Airbnb in der Nähe der Uni. Nach 5 Tagen musste ich dieses allerdings verlassen, da die Wohnung leider keine guten Bedingungen hatte und auch der Vermieter sich kaum um meinen Aufenthalt kümmerte. Es ist außerdem nicht zu empfehlen, im Zentrum Santiagos zu wohnen, da hier sehr viel Verkehr und Smog herrscht. Die Häuser haben sehr schlechte Isolationen, sodass es im Winter in den Häusern sehr schnell sehr kalt werden kann. Juli und August sind die kältesten Monate. Nach den fünf Tagen stornierte ich dann das Airbnb und zog zu Freunden in den Stadtteil Vitacura. Von dort aus dauerte es zwar ca. 45 Minuten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln bis zu FEN, dies ist in Santiago aber noch immer recht „nah“.
In meiner „Freizeit“ machte ich viel Sport – ich ging joggen auf den Cerro San Cristóbal – und traf mich mit Freunden, die ich bereits von früher kannte: Wir gingen zusammen aus, aßen gemeinsam oder feierten ganz chilenisch „carrete“ – eine Hausparty. Da ich allerdings keinen Urlaub hatte und die Arbeit des Lehrstuhls von Deutschland keine Ruhe ließ, verwendete ich einen Großteil meiner freien Zeit auch für Arbeit. Und, sobald Zeit war, für die Transkriptionen meiner Interviews, die ich im Rahmen meiner empirischen Studie in Brasilien erhoben habe.
4. Tipps für alle, die in Chile einen Gastdozentenaufenthalt durchführen möchten:
- Wichtig in Chile ist, Kontakte zu Professoren bereits vor dem Auslandsaufenthalt herzustellen. Persönlicher Kontakt und Interesse an den Personen sind in Chile sehr wichtig, um zielorientiert und effizient zu kommunizieren und Ziele zu erreichen (z.B. die Einladung an die Gastuniversität). Hierbei ist auch förderlich, sich „einfach mal mit der Person zu treffen“, um einen Kaffee zu trinken oder etwas essen zu gehen. Die Wahrung der Harmonie und Sympathie spielen in der chilenischen Gesellschaft eine wichtige Rolle.
- Im Winter ist es kalt in Chile: Anders als ich erwartet hatte, waren die Temperaturen noch im August ziemlich niedrig. Die Häuser verfügen kaum über Zentralheizungen. Deshalb ist mein Tipp, sich gut und warm einzupacken. Die Wintermonate reduzieren sich aber lediglich auf Juli und August. Ab September wird es dann ziemlich schnell Frühling – und sehr warm.
- Genügend Zeit einplanen: Als „polychrones“ und zeitlich sehr flexibles Land sollte man in Chile – und vor allem in Santiago – immer reichlich Zeit einplanen; sei es auf dem Weg zur Arbeit (der Berufsverkehr ist sehr extrem in der Stadt), oder auch auf der Arbeit, wenn man danach doch noch spontan etwas mit Kollegen unternimmt.
- Die Beherrschung der spanischen Sprache ist fundamental für einen Aufenthalt in Chile. Auch wenn viele Personen derzeitig auch Englisch sprechen, erreicht man mit Spanisch sehr viel mehr (ob beruflich oder privat). Und man kann natürlich auch viel mehr Wissen austauschen.
- Bezüglich der Wohnungssuche ist zu empfehlen, sich vorher über die Stadtteile zu informieren. Auch wenn eine Unterkunft in der Nähe der Universität attraktiv erscheint, ist davon abzuraten, da das Zentrum der Stadt aufgrund des Verkehrs sehr laut ist und es nachts auch nicht zu den sicheren Vierteln gehört. Eine Wohnungssuche in Providencia oder in der Nähe der Metrolinie 1 (línea roja) z.B. ist zu empfehlen.
- Mittagessen: In Santiago isst man gewöhnlich sehr spät zu Mittag. Als Deutsche war ich es gewohnt, gegen 13 Uhr Mittag zu essen. Allerdings essen viele Chilenen erst um 14.30 oder 15 Uhr. Um nicht zu verhungern also mein Tipp: immer etwas zu Essen in der Tasche haben, um die Unterzuckerung zu verhindern.
Insgesamt bin ich sehr froh, den Forschungs- und Lehraufenthalt in Brasilien und Chile durchgeführt zu haben. Ich konnte unglaublich viel dabei lernen – nicht nur für meine empirische Studie, sondern auch persönlich. Alle Menschen, denen ich begegnete, waren unglaublich offen und hilfsbereit. Hierbei muss ich jedoch hinzufügen, dass ich in beiden Ländern schon längere Auslandserfahrung hatte, beide Sprachen fließend spreche, und beide Kulturen schon ausreichend kennenlernen konnte. Dies half mir ungemein in der Kommunikation und Erreichung meiner Ziele mit den Personen vor Ort.
Mein besonderer Dank geht an Frau Rita Hartmann und Frau Stefanie Lohmann sowie den Ansprechpartnern des DAAD, vor allem Frederick Stamm, die es mir ermöglicht haben, diesen wundervollen Aufenthalt durchzuführen und mich so toll weiterzubilden. Zusätzlich danke ich vor allem Erich Spencer und Stefanie Dacín für die Gastfreundschaft und Offenheit, mit der sie mich in Chile empfangen haben und mir den Dozentenaufenthalt ermöglichten.
Stand: September 2018.