Jil Fischer

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Jil Fischer betreut den Informationsstand ihres Projekts auf einem Markt in Coquimbo

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"Insgesamt habe ich im Hinblick auf meine fachliche Entwicklung während des Praktikums einen Einblick in das wissenschaftliche Arbeiten und zudem wertvolle Erfahrungen über meinen Fachbereich hinaus vermittelt bekommen. Somit habe ich auch in dieser Hinsicht mein Wissen erweitern können."

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Als Bachelorstudentin der Universität Bonn bewarb sich Jil Fischer auf ein Forschungspraktika, um sich akademisch mit dem Ursprung von Meeresmüll an der pazifischen Küste Lateinamerikas sowie dessen Interkation mit Menschen auseinanderzusetzen. Im Rahmen eines Stipendiums, welches dank Dr. Wolfgang Knapp verliehen wird, konnte die DAAD-Stiftung ihr einen solchen Aufenthalt in Chile ermöglichen.

Hier berichtet Jil Fischer von ihren Erfahrungen vor Ort:

Fachlicher Teil

Mein Praktikum fand an der Universidad Católica del Norte statt in der Arbeitsgruppe von Dr. Martin Thiel im Institut der Meeresbiologie. Generell ist Meeresbiologie einer der Schwerpunkte dieser Universität. Dr. Martin Thiel ist Mitbegründer des Projektes ReCiBa (Red científico de la Basura), das zum Ziel hat, den Müll im Pazifik zu untersuchen. Dabei handelt es sich zugleich um ein Citizen Science Projekt, bei dem zahlreiche Schulen in fast allen Ländern entlang der pazifischen Küste Lateinamerikas eingebunden werden. Die Idee ist, die Schüler und Lehrer für das Thema zu sensibilisieren und zugleich zu motivieren. So werden innerhalb des ProjektsLehrmaterialien entwickelt und an die Schulen versandt, die beispielsweise vermitteln, wie man den Müll eines Strandes unter wissenschaftlichen Standards untersucht, sodass am Ende die Ergebnisse aller Strände verglichen und verarbeitet werden können.

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Fischer Foto 1

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Foto 1: Zeichnung des Schulweges eines Kindes in Mexiko
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Meine Aufgabe während des Praktikums bestand darin, schon bearbeitetes Material und Ergebnisse auszuwerten und in ein Paper einzubinden. Damit habe ich die Arbeit des Praktikanten vor mir fortgeführt, der mich in meiner ersten Woche auch in das Projekt eingeführt hat. Das Untersuchungsmaterial waren die Ergebnisse vierer Arbeitsaufträge, die Schulkinder im Rahmen des Projektes erhalten hatten:

1. Eine Zeichnung des jeweiligen Schulweges (s. Foto 1)

2. Eine Zeichnung eines Strandes aus dem Kopf

3. Eine Zeichnung des Strandes, den die Schulkinder mit der Klasse besucht haben (s. Foto 2)

4. Markierungen in den jeweiligen Zeichnungen, was den Kindern am Strand gefällt bzw. nicht gefällt (s. Foto 2)

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Fischer Foto 2

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Foto 2: Zeichnung eines chilensichen Schulkindes, die sogar Interaktion zwischen Müll und Meereslebewesen zeigt

 

Die Kinder waren völlig frei in der Ausführung dieser Aufgaben. Im Rahmen des Projektes habe ich zusammen mit meiner Betreuerin diese qualitativen Daten quantifiziert und analysiert. Dafür habe ich viel mit Excel, aber auch mit dem Statistikprogramm R gearbeitet. Zu dem Zeitpunkt, als ich in dem Projekt angefangen habe, war etwa die Hälfte der Analyse der Daten schon abgeschlossen. Ich habe mich vor allem mit der Analyse der Zeichnungen der Strände auseinandergesetzt. Nachdem diese beendet war, habe ich mich vor allem mit der Literaturrecherche und dem Schreiben des Papers auseinandergesetzt. Dazu hatte ich regelmäßige Treffen mit meiner Betreuerin und Dr. Thiel. Diese Treffen fanden stets auf Englisch statt. Generell handelte es sich bei dem Schreiben des Papers um einen Erforschungsprozess in sich, da die Daten nicht mit dem Ziel, ein solches zu schreiben, erhoben worden waren. In meinen letzten zwei Wochen habe ich zudem noch ein Buch aus der Reihe der Lehrmaterialien auf Englisch übersetzt und habe mit anderen Mitarbeiter*innen des Projekts Schulen besucht und Infostände betreut, wie auf Foto 3 (s. oben) zu sehen ist.

Die Uni in Coquimbo ist generell nicht ganz so gut ausgestattet wie die Universitäten in Deutschland. Das Büro, in dem ich gearbeitet habe, befand sich innerhalb eines Containers direkt am Meer (Foto 4 und 5) und ich habe mir dieses mit anfangs zwei, später drei anderen Mitarbeiterinnen des Projekts geteilt. Mit nur drei Tischen war der Platz demenstprechend begrenzt und gearbeitet wurde prinzipiell mit den eigenen Laptops. Computer der Universität standen nicht zur Verfügung. Die Atmosphäre im Büro war immer sehr angenehm und meine Kolleginnen haben mir stets weitergeholfen, wenn ich einen Rat oder Hilfe brauchte.

Insgesamt habe ich im Hinblick auf meine fachliche Entwicklung während des Praktikums einen Einblick in das wissenschaftliche Arbeiten und vor allem in den Prozess des Schreibens eines Papers bekommen. Gelernt habe ich dabei für mich, dass dieser Prozess von sehr viel Kommunikation, sehr viel Recherche und vielen, vielen Korrekturen und Revidierungen geprägt ist. Außerdem habe ich meine Fertigkeiten in „R“ weiter ausbauen können. Das Praktikum habe ich zudem in dem Bereich der Meeresbiologie absolviert, was mir wertvolle Erfahrungen über meinen Fachbereich Geographie hinaus vermittelt hat. . Somit habe ich auch in dieser Hinsicht mein Wissen erweitern können.

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Fischer Foto 4

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Foto 4: Der Container bzw. das Büro 
  
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Ankunt und Leben vor Ort

Meine Ankunft lief problemlos ab. Ich kam morgens in Santiago an und kaufte dort direkt ein Busticket nach Coquimbo, wo ich am Busbahnhof von meiner Betreuerin abgeholt wurde. Untergebracht wurde ich zunächst in den „Cabañas“ der Universität. Bei diesen handelt es sich um Hütten auf dem Universitätsgelände, in denen man zu dritt wohnt und sich Bad, Küche und Wohnzimmer teilt. Der Zustand der Cabañas ist allerdings nicht der allerbeste und die Atmosphäre ist nicht sehr heimelich. Deshalb bin ich nach etwas anderthalb Wochen in ein freies Zimmer bei einem Bekannten aus der Uni eingezogen, in dem der Praktikant vor mir ebenfalls gewohnt hat.

Das chilenische Spanisch ist sehr schnell und anders, und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass mir der sprachliche Einstieg leicht fiel. Besonders in den ersten Tagen nach meiner Ankunft habe ich kaum etwas verstanden. Mit der Zeit bekommt man allerdings ein Ohr für das Chileno. Zudem haben sich die Leute in meinem Umfeld Mühe gegeben, langsamer und deutlicher für mich zu sprechen. Im Universitätskontext sprechen durchaus auch einige Chilenen Englisch, außerhalb der Uni ist das aber eher selten der Fall. Bei meinem Lauf durch die chilenischen Ämter für die Registrierung meines Visums hatte ich ebenfalls das Glück, an Leute zu geraten, die mir auf Englisch weiterhelfen konnten. In jedem Fall sind die Chilenen aber sehr hilfsbereit und versuchen weiterzuhelfen, egal auf welcher Sprache.

Was mir die meisten Probleme bereitet hat in meiner Anfangszeit, waren die winterlichen Temperaturen. In Coquimbo gibt es keine Minusgrade, aber mit um die 10 Grad ist es trotzdem frisch. Das war vor allem deshalb schwierig, da die Häuser kaum isoliert sind und es keine Heizung gibt. Geheizt wird, wenn, mit Heizstrahlern und ansonsten behilft man sich mit mehreren Schichten Kleidung und schläft unter mehreren Decken.

Was den Transport angeht, so gibt es Busse und Colectivos. Bei Bussen wird zwischen solchen für weite Strecken (bus) und denen des Nahverkehrs unterschieden (micros). Erstere verkehren zwischen den Städten Chiles und es ist möglich, Tickets im jeweiligen Terminal des Buses oder bei einigen Agenturen auch online zu kaufen. Micros sind sehr günstig, verkehren innerstädtisch oder zwischen nahgelegenen Städten und Dörfern, und funktionieren über Handzeichen. Man stellt sich an die Haltestelle und wenn die gewünschte Linie vorbeifährt, gibt man dem Busfahrer ein Handzeichen, dass man einsteigen möchte. Fahrpläne gibt es nicht.

Bei Colectivos handelt es sich quasi um Sammeltaxen, die aber bestimmte Strecken oder Stadtteile abfahren. Jedes Colectivo hat auf dem Dach ein Schild, dass die Richtung der Route angibt. Auch hier winkt man den Fahrer heran, wenn man einsteigen möchte. Colectivos sind ebenfalls sehr günstig und fahren einen bis zu dem Ort, den man dem Fahrer sagt, sofern dieser auf der Route liegt. Allerdings wird der Fahrer in den seltensten Fällen die direkte Route fahren, in der Hoffnung unterwegs noch mehr Fahrgäste einzusammeln.

Ich bin zudem auch viel Fahrrad gefahren, da mir meine Betreuerin für die Zeit des Praktikums ihr Fahrrad geliehen hat. Man merkt allerdings deutlich, dass Fahrräder in die Verkehrsplanung in Coquimbo nicht wirklich miteinbezogen worden sind. Fahrradwege gibt es keine, und somit teilt man sich in der Regel die Straße mit Autos oder den Bürgersteig mit Fußgängern, was mitunter recht gefährlich sein kann. Zudem gibt es sehr viele Straßenhunde in Coquimbo, von denen einige sehr aggressiv auf Fahrräder reagieren.

Lebensmittel bekommt man in Supermärkten, Kiosken (Almacenes) und auf den Wochenmärkten (Ferias). Anders als in Deutschland sind die Supermärkte in Chile teurer als die kleinen Gemischtwarenläden und vor allem auf den Ferias gibt es das beste und günstigste Gemüse und Obst. Zudem unterstützt man mit einem Einkauf dort und in den Almacenes die lokale Bevölkerung. Geld abheben ist fast an jedem Geldautomat (cajero automático) möglich, jedoch maximal 200.000 Pesos am Tag und die chilenischen Banken verlangen Gebühren zwischen 4000 und 7000 Pesos (ab ca. 4,20€). Die einzige Bank, bei der ich und auch andere Reisende, die ich getroffen habe, gebührenfrei Geld abheben konnte, war die Scotiabank, die es ebenfalls in Coquimbo im Stadtzentrum gibt.

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Fischer Foto 5

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Foto 5: Ausblick auf die Bucht Coquimbos
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Die Umgebung Coquimbos ist durch ein sehr trockenes Klima geprägt. Dementsprechend sind die Berge und Hügel von Kakteen gesäumt und Brauntöne dominieren die Landschaft. Coquimbo liegt allerdings auch direkt am Meer und hat zwei Buchten, die für mich die schönsten Orte der Stadt waren. Zudem gibt es dort einen Radweg, der am kompletten am Strand entlangführt und Coquimbo mit der Nachbarstadt La Serena verbindet. La Serena ist auch einen Besuch wert, ebenso wie das Valle de Elqui. Außerdem würde ich empfehlen, zum Punta de Choros zu fahren. Dieser liegt etwa 130km nördlich von Coquimbo und man kann mit einem Boot zum Reserva Nacional Pingüino de Humboldt fahren und vom Boot aus Seelöwen, Pinguine und Delfine beobachten. Wenn man Glück hat, sieht man an Land auch noch ein paar Guanacos. Im Süden Coquimbos befindet sich der Playa Totoralillo, der ebenfalls sehr hübsch ist und wo man Bouldern und Surfen kann.

Eine Besonderheit während der Zeit meines Praktikums war der 18. September. Bei diesem handelt es sich um den Nationalfeiertag Chiles, der in großem Stile gefeiert wird. Zudem sind die beiden Tage davor ebenfalls Feiertage, sodass die Chilenen in der Regel eine komplette Woche frei haben. In dieser Zeit wird auch die Universität geschlossen. Ich hatte das Glück, den Tag mit der Familie einer chilenischen Freundin zu verbringen. Es gab viel Essen, Freunde kamen zu Besuch und generell kam die ganze Familie zusammen. In Coquimbo wird für diese Tage die Pampilla zu einem einzigen riesigen Festivalgelände, wo getrunken, getanzt und gecampt wird.


Stand: Winter 2019. Die deutsche Version ist das Original.